Landeshauptstadt: „Genickbruch“
Impressionen einer Preisverleihung zwischen Siegesgewissheit, Enttäuschung und Selbstkritik
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Am Ende standen Maria Vagl und Peter Hütte länger vor den Fernsehkameras als Oberbürgermeister Jann Jakobs. Denn die Elf- und der Zwölfjährige hatten bei der Eröffnung der Potsdamer Präsentation das Publikum angenehm überraschen können. „Wenn ich Oberbürgermeister wäre, würde ich sagen, dass Potsdam das Geoforschungszentrum hat, das Tsunamis vorhersagen kann“, hob der Helmholtz-Gymnasiast mit heller Stimmer an. Seine Partnerin darauf: „Bist du nicht. Aber wenn ich Uni-Chefin Sabine Kunst wäre, dann würde ich sagen “ Und so weiter. Zwischen den Kindern entspannte sich ein Gespräch über Potsdams Wissenschafts-Stärken. Doch trotz dieses charmanten Beginns – es reichte nicht für die brandenburgische Landeshauptstadt beim Wettbewerb um den Titel „Stadt der Wissenschaft 2008“. Jena konnte die Jury im Saal des Braunschweiger Altstadtrathauses mehr überzeugen – sie kürte die thüringische Universitätsstadt einstimmig zum Gewinner – und „sehr deutlich“, wie es aus Jury-Kreisen später hieß.
Die Reaktionen auf das für die Potsdamer Vertreter unerwartete Aus – vorher hatten sich alle sichtlich optimistisch gezeigt – reichten vor Ort von Enttäuschung bis hin zur Kritik an der Jury. „Ich war enttäuscht von ihren Fragen an unser Team“, sagte Norbert Altenhöner, dessen Agentur die Bewerbung für Potsdam erstellt hatte. Der Wettbewerb brauche klarere Regeln: Zum Beispiel, ob es bei der Vergabe des Titels darum gehe, welche Region bedürftiger sei. Die Frage aus der Jury, warum Potsdam als Schlösserstadt, Kulturstadt und Filmstadt auch noch Stadt der Wissenschaft werden wolle, bezeichnete Altenhöner als „Genickbruch“.
Simone Leinkauf vom Verein proWissen e.V. sprach davon, dass „Potsdam genauso gut hätte gewinnen können“. Hätte die Jury nur die Probe-Präsentation des Vortags zu bewerten gehabt (PNN berichteten), dann wäre Potsdam Sieger geworden, so ihre Einschätzung. Die Entscheidung, mit Uni-Rektorin Sabine Kunst eine Neu-Potsdamerin für die offizielle Darbietung vor der Jury zu wählen, bezeichnete Leinkauf als „mutig“. Mehr wolle sie dazu aber nicht sagen.
Kunst hatte während der gestrigen Präsentation eher steif gewirkt, ihre Beispiele waren wenig anschaulich. Lockerer wirkte Filmpark-Chef Friedhelm Schatz. „Beide Städte sind gut – aber was Potsdam ungewöhnlich macht ist das Publikum: Ich empfehle Ihnen, Potsdam zu nehmen, denn wir tragen Ihren Titel ,Stadt der Wissenschaft“ in die Welt hinaus“, rief Schatz der Jury zu, in der vor allem renommierte Wissenschaftler saßen. Die Millionen von Touristen, die jährlich in die Stadt kämen, grenzten Potsdam klar von Jena ab, „mit Verlaub“, so Schatz während seines Auftritts. Jena hatte anders als Potsdam seine Bewerbung mit einem Film präsentiert – dabei sei „mehr Herzblut“ zu merken gewesen, sagte Martin Kohtze aus der 12. Klasse des Humboldt-Gymnasiums, der die Potsdamer Delegation begleitete.
Nach der Niederlage betrieb Dieter Wiedemann, Chef der Babelsberger Filmhochschule, Selbstkritik: „Bei der Bewerbung war unter Zeitdruck viel mit der heißen Nadel gestrickt – einen Film hätten wie als Filmstadt ruhig haben können.“ Aus der Jury sei zu hören gewesen, dass die Potsdamer Bewerbung „mit zu vielen Projekten zu wenig profiliert und strukturiert gewesen sei, zudem seien die Planungen in Jena besser beschrieben“, so Wiedemann. Die Potsdamer Delegation hatte die 115 geplanten Projekte in der Bewerbung zuvor als Stärke angepriesen.
In einer ersten Reaktion bewertete auch Christoph Meinel, Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts (HPI), das Scheitern Potsdams kritisch: „Wir helfen aber gern, dem Wissenschaftsmarketing der Stadt mehr Schwung, mehr Prägnanz und mehr Wirkung zu verleihen.“ Auch die HPI-Softwareschmiede war unter dem Potsdamer Bewerbungsmotto „Wellen, Wetter, Wunder“ dabei. Das Jenaer Motto hieß dagegen: „Made in Jena“.
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