Von Nicola Klusemann: Geputztes Fenster zum Fest
Pünktlich zu Weihnachten kam das bunte Halbrund aus der Werkstatt zurück in die Nikolaikirche
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Ein 95 Quadratmeter großes Loch klaffte noch bis vor wenigen Tagen in der Westwand der Nikolaikirche. Pünktlich zum Weihnachtsfest wurde das aus 34 Flügeln und zig kleinen bunten Dreiecken bestehende Fenster wieder eingesetzt. Eine Punktlandung, die ein bisschen auch der persönliche Wunsch von Ivo Dressler war, der die Sanierungsarbeiten an der stadtbild-prägenden Kirche am Alten Markt leitet.
Die Aufarbeitung des Fensters sei gar nicht im Ursprungsplan enthalten gewesen, erklärt der Bauleiter. Dann aber habe sich gezeigt, dass die Bleisprossen, die die Glasscheibchen verbinden, korrodiert waren. Sie mussten aufgearbeitet und zum Teil ausgetauscht werden. Bei der Gelegenheit sei das Buntglas dann auch oberflächlich gereinigt worden. „Das sieht aus wie neu“, sagt Ivo Dressler. Das gleiche Kirchenfenster gegenüber wirkt nun hingegen blass. Jahrzehnte alter Staub hat die blauen, roten, gelben und weißen Dreiecke mit einem Grauschleier überzogen. Eine Reinigung sei sehr aufwendig. Unterhalb des Fensters auf der Empore seien Treppen, auf der ein Gerüst nicht stehen könnte. Um die in acht Meter Höhe befindlichen Flächen zu erreichen, müssten sich die Fensterputzer abseilen, erklärt der Bauleiter. Mehrere angefragte Firmen hätten deshalb abgesagt oder Tausende Euro für das Putzen verlangt. „Geld, das wir nicht haben“, sagt Ivo Dressler. Da könne nur eine Spende helfen.
Um das Gotteshaus, das nach Plänen des Architekten Karl Friedrich Schinkel in den Jahren 1830 bis 1837 entstand, zu bewahren, hat die 2200 Glieder fassende Gemeinde selbst einen Kredit über zwei Millionen Euro aufgenommen. Insgesamt kostet die Restaurierung des klassizistischen Bauwerks 6,2 Millionen Euro. 330 000 Euro davon sollen über Spenden zum Beispiel für die Engelsfiguren oder den Palmettenkranz unterhalb der Kuppel akquiriert werden. Häufig hätten die Spender einen unmittelbaren Bezug zur Nikolaikirche, sagt die Verantwortliche für Pressearbeit in der Gemeinde, Anja Kriebel. So habe ein ehemaliger Pfarrer von St. Nikolai seiner schwerkranken Enkelin auf dem Sterbebett versprochen, für sie eine Palmette zu kaufen, die nur ihren Vornamen trägt. Auch viele Gemeindeglieder verewigten durch die Spende eines aus Kupferblech getriebenen Blattes mit Gravur den Namen ihrer Familie; manche bleiben anonym. Ein Mann sei ins Gemeindebüro gekommen, hätte die 1500 Euro für die Aufarbeitung eines Palmettenblatts auf den Tisch gelegt und sei wieder verschwunden, erzählt Anja Kriebel.
Bisher sei die im Jahr 2002 begonnenen Sanierung des Schinkelbaus trotz einiger Überraschungen planmäßig verlaufen. „Jetzt allerdings wird der Zeitablauf durchbrochen“, sagt die Pressesprecherin. Eigentlich sollte das neue Geläut für St. Nikolai schon längst ausgeschrieben und zu Ostern 2009 eingeweiht sein. „Das wird nicht klappen“, sagt Bauleiter Dressler. Um die drei Glocken ausschreiben zu können, brauche man sogenannte Schwingungsmessungen. Gemessen werden könne aber erst, wenn die Betonplatten, auf denen der Glockenstuhl künftig lagert, gegossen seien. „Und das geht nur bei konstanten fünf Grad plus“, schildert Dressler die Kausalkette. Darum könne der Auftrag für das neue Geläut wahrscheinlich erst im Frühjahr ausgelöst werden. Sind die Glocken gegossen, dauere es auch noch einmal Wochen, bis sie erkaltet seien, ergänzte Anja Kriebel. Bis zum zweiten Halbjahr des kommenden Jahres bleibe die Kirche deshalb stumm, sagt sie. An Bautagen sei statt des Glockenklangs jetzt der Presslufthammer zu hören. „Abrissarbeiten können auch bei Minusgraden gemacht werden“, erklärt Dressler. Zum Trost bleibt das geputzte Fenster. Und eine wahrscheinlich gut besuchte Kirche zum heutigen Heiligen Abend.
Heute in der Nikolaikirche: 15 Uhr Krippenspiel, 16.30 und 18 Uhr Christvesper und um 23 Uhr Heilige Messe in der Christnacht
Nicola Klusemann
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