Uferweg am Griebnitzsee: Stimmungsbild sowie eine Pro & Contra: Gerangel um Uferweg am Griebnitzsee
Partsch: B-Plan-Entwurf nicht realisierbar / Raffauf fordert Verkauf der Bima-Flächen an die Stadt
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Babelsberg - Die Pläne der Stadt für einen freien Uferweg am Griebnitzsee stoßen bei den Betroffenen erwartungsgemäß auf ein geteiltes Echo: Ein vernichtendes Urteil über den vorgelegten Plan fällt Anwalt Christoph Partsch, der mehrere Anwohner am Griebnitzsee vertritt. „Das ist ein Plan auf Kosten der Bürger, der aus tatsächlichen wie juristischen Gründen nicht realisiert werden kann“, sagte der Berliner Jurist gestern auf PNN-Anfrage.
Dagegen sagte Walter Raffauf von der Initiative „Griebnitzsee für alle“ dieser Zeitung: „Schade, dass es nur noch auf einen Weg hinausläuft“. Er kämpft seit Jahren mit dem Verein für einen öffentlichen Uferpark auf dem früheren Postenweg der Grenztruppen. Der Wille der Stadt sollte nun seiner Ansicht nach ein Zeichen für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) sein, die zum Verkauf stehenden 52 Grundstücke am Seeufer an die Stadt zu veräußern.
Vergangene Woche hatte die Stadt Potsdam einen neuen Entwurf für einen Bebauungsplan für den seit Jahren umkämpften Uferweg vorgelegt. Der Plan sieht vor, den Weg gegen den Willen von mehreren Anrainern und über ihre privaten Grundstücke für die Öffentlichkeit begehbar zu machen. In festen Abständen sollen öffentliche Grünflächen entstehen – jedoch nur auf Flächen, die der Öffentlichkeit schon gehören. Ziel ist laut Rathaus eine Erlebbarkeit der Landschaft am Griebnitzsee-Ufer. Während der erste Ufer-Bebauungsplan wegen zu geringer Gewichtung des privaten Eigentums vor Gericht kassiert wurde, sollen die Anrainer ihre Gärten nun mit Zäunen und Hecken in nicht begrenzter Höhe vom Uferweg abtrennen können. Auch will die Stadt für jedes Seegrundstück ein Bootshaus oder einen Steg genehmigen – maximal 40 Bootshäuser und 17 Stege. Die Kosten dafür beziffert die Stadt auf fast 13 Millionen Euro: 3,5 Millionen Euro für den Kauf von Flächen, 3,8 Millionen Euro für Entschädigungen der privaten See-Anrainer für Wertverlust ihres Eigentums, vier Millionen Euro für den Wegebau sowie 1,5 Millionen Euro für juristische Kosten. Damit würde der Weg nach jetzigen Berechnungen mehr als vier Millionen Euro pro Kilometer kosten – er wäre einer der teuersten Uferwege Deutschlands.
Anrainer-Anwalt Partsch erklärte zudem, er halte die Summe von 13 Millionen für „nicht ausreichend“. Dagegen hofft Walter Raffauf, dass nun einige der Anwohner, die den Weg vor anderthalb Jahren gesperrt haben, nun einlenken und der Stadt eine Grunddienstbarkeit eintragen oder preiswerter verkaufen: „Vielleicht tut sich etwas.“ Dazu gibt es auch politischen Streit. Die Potsdamer CDU-Chefin Katherina Reiche hatte erklärt, angesichts sanierungsbedürftiger Schulen und ungelöster Verkehrsprobleme sei es „unverantwortliches politisches Handeln“, 13 Millionen Euro für ein Stück Weg ausgeben zu wollen. Dazu sagte Potsdams neuer Linke-Chef Sascha Krämer, CDU-Bundestagsabgeordnete Reiche solle sich im Haushaltsausschuss des Bundestags dafür stark machen, dass der Bund die 52 Bima-Areal doch an Potsdam verkaufe – und nicht an die Uferanrainer, die mehr Geld zahlen wollen. „Oder ist Frau Reiches Interesse an einem freien Uferweg oder gar ihr Einfluss so gering?“, fragte Krämer. Der verfolgte Zweck, der Allgemeinheit den Zugang zum Griebnitzsee freizuhalten, so Krämer weiter, habe „Vorrang vor den Interessen von Grundstücksspekulanten und Uferblockierern“.
Pro & Contra
Soll die Stadt Potsdam in den nächsten Jahren 13 Millionen Euro für einen freien Uferweg am Griebnitzsee ausgeben? Die Stadtverwaltung hat in der Vorwoche einen neuen Bebauungsplan vorgelegt, durch den ein durchgängiger Uferweg am Griebnitzsee erreicht werden soll. Der Weg würde teilweise über Schwemmland führen, zudem müssten Anwohner entschädigt werden.
PRO
Ja, selbstverständlich. Weil der städtebauliche Mangel, den das Fehlen eines öffentlichen Uferweges darstellt, nach gegenwärtigem Ermessen nicht anders behoben werden kann. Aufgeben würde bedeuten, das Fehlen eines Uferweges in Babelsberg für immer zu zementieren. Also auch für das Jahr 2100 und darüber hinaus. Stadtplanung muss in diesen zeitlichen Dimensionen erfolgen. Das wirft Kosten auf, aber auf der Haben-Seite wird eines fernen Tages der 100. Jahrestag der Einweihung des Uferweges stehen. Der Blick auf ein Babelsberger Luftbild macht klar, das wenige, einzelne Babelsberger alle anderen Stadtbewohner von der Naherholung am Griebnitzsee ausschließen wollen. Wo bei diesem egoistischen Verhalten die im Grundgesetz normierte Sozialverpflichtung des Eigentums bleibt, ist fraglich. Dass sich die Potsdamer Stadtverwaltung gravierende Fehler erlaubt hat und sich in peinlicher Weise juristisch irrte, ist bei einer historischen Betrachtungsweise lediglich eine Fußnote wert. An der sozialen Erhabenheit des Zieles eines öffentlichen Weges ändert das nichts. Mit dem neuen Bebauungsplan versucht die Stadt, die vom Gericht angemahnte angemessene Berücksichtigung von Eigentumsinteressen gerecht zu werden. Mit der großzügigen Erlaubnis von Bootsstegen und -häusern wird den Griebnitzsee-Anrainern ein exorbitanter Lebensstil ermöglicht. Dessen äußere Ansichtigkeit für Jedermann wird ohnehin nicht unproblematisch sein in einer Stadt, deren Bewohner zu 60 Prozent in Plattenbauten leben. Hier täte Ausgleich Not, ein Entgegenkommen der Anrainer wäre da ein versöhnliches Zeichen. Allerdings scheinen sie dazu nicht bereit zu sein und riskieren somit ein finanzielles Wettrüsten mit der Potsdamer Allgemeinheit, das sie noch an ihre Kinder vererben werden. Und selbst wenn irgendwann die Mittel ausgehen sollten, die Vision eines freien Uferweges wird bleiben.
CONTRA
So wünschenswert ein durchgängiger Uferweg am Griebnitzsee auch ist – die Zeit ist reif, die Pläne aufzugeben. Der Weg deutsch-deutscher Geschichte ist verloren, so gerne ihn die Potsdamer auch wieder entlanggehen würden. Die Stadtverwaltung hat durch ihre Versäumnisse und die Anrainer durch ihr wenig gemeinschaftliches Verhalten dafür gesorgt, dass der heutige Zustand ein für die Mehrheit der Potsdamer unbefriedigender ist. Nun sollte sich die Stadt von ihren Plänen verabschieden, weil deren Umsetzung zu teuer ist und es wichtigere Aufgaben gibt als öffentliches Geld für Entschädigungen von Ufer-Grundstücksbesitzern auszugeben. Seit Wochen tingeln der Oberbürgermeister und sein Kämmerer durch die Stadt und versuchen die Potsdamer zu motivieren, Einsparungsvorschläge zu machen, um den städtischen Haushalt in den Griff zu bekommen. Hier ist nun einer: Verzicht auf einen durchgängigen Uferweg am Griebnitzsee und das Geld sparen. Damit würde jährlich eine halbe Million Euro frei – eine Summe, die bisher für den Kauf zurückgelegt worden ist und künftig nicht mehr zurückgestellt werden muss. Zudem weiß keiner, ob die bislang angegebene Summe ausreicht. Viel weniger wird es wohl nicht werden – eher teurer, sollte die Stadt die Grundstücke des Bundes nicht erhalten und diese an die Privateigentümer verkauft werden. Leider hat die Landeshauptstadt an dieser Stelle verloren. Vielleicht auch nicht ganz: Sie muss sich von der Erlebniszone Uferweg nicht komplett verabschieden. So gibt es Teilbereiche des Weges, die noch immer offen sind und auch offen bleiben können. Diese sollten so gestaltet werden, dass sie sich nicht für Spaziergänge, sondern zum Verweilen eignen. Kleine Spielplätze für Kinder, Bänke oder vielleicht Rastplätze für Kanufahrer sollten eingerichtet werden. Das Leben am See muss sich nun um die wenigen Sperrer herum abspielen.
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