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Aus dem GERICHTSSAAL: Gericht: Ein Zettel reicht nicht

Unfallflucht am Heiligen Abend / 1000 Euro Buße

Stand:

Der Verteidiger ist empört. „1000 Euro sind eine Menge Geld. Soviel kostet normalerweise eine Körperverletzung“, moniert er. Doch seine Mandantin nickt, ist mit der Einstellung des Verfahrens gegen diese Summe einverstanden. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stimmt auch zu. Das Gericht unter Monika Holk erlässt den entsprechenden Beschluss, gestattet Ratenzahlung.

Karla K.* (45) ist wegen Unfallflucht angeklagt. Das Missgeschick passierte der promovierten Chemikerin am Heiligen Abend vorigen Jahres. Den Kopf voll trauriger Gedanken – ihr Ehemann lag im Sterben, sie hatte ihn im Berliner Krankenhaus besucht – touchierte sie beim Einparken vor ihrem Siedlungshaus einen Renault, verursachte einen Schaden von 1528 Euro. „Ich fuhr dann ein paar Meter weiter, weil die ursprüngliche Lücke zu eng war. Dann fragte ich ein Ehepaar, das aus dem Fenster seines Hauses guckte, ob es wüsste, wem der Renault gehört“, so Karla K. „Die Leute konnten mir aber nicht helfen.“ Da sie ihre Nachbarn am 24. Dezember nicht unbedingt herausklingeln wollte, habe sie einen Zettel unter den Scheibenwischer des von ihr demolierten Autos geklemmt, den Besitzer gebeten, sich zu melden. Kaum in ihren eigenen vier Wänden, habe sie Blaulicht gesehen, sei die Polizei aufgetaucht. Das Ehepaar hatte die Beamten vorsorglich alarmiert.

„Wieso haben Sie eigentlich nicht die Polizei gerufen?“, fragt die Staatsanwältin, erntet einen bösen Blick des Verteidigers. „Meine Mandantin hatte andere Sorgen. Außerdem hat sie ja ihre Personalien hinterlassen.“ Persönliche Umstände könnten allenfalls in der Strafzumessung berücksichtigt werden, gibt die Vertreterin der Anklage nun zu bedenken. Juristisch gesehen handle es sich glasklar um ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort.

Ein Zettel an der Windschutzscheibe reiche nicht, stellt die Vorsitzende klar. Der könne wegfliegen, vom Regen verwischt oder einfach von Dritten entfernt werden. „Das ist vom Gesetzgeber so vorgeschrieben, damit der Fahrzeugeigentümer nicht auf seinem Schaden sitzenbleibt.“ Der Verteidiger lässt nicht locker: „Ich sehe keine Unfallflucht meiner Mandantin. Wäre der Zettel am nächsten Morgen unleserlich oder verschwunden gewesen, hätte sie einen neuen angebracht. Außerdem ist der Schaden von ihrer Versicherung längst ausgeglichen.“

„Die Angeklagte ist nicht einfach weggefahren. Sie hat sich dazu bekannt, den Schaden verursacht zu haben. Außerdem kannten sie und das Ehepaar, das den Crash beobachtete, sich als Nachbarn. Ihre Schuld sei deshalb als gering zu werten, betont die Vorsitzende. Das akzeptiert schließlich auch der Verteidiger.

(*Name geändert.) Hoga

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