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Landeshauptstadt: Gericht zweifelt an fristloser Kündigung von IHK-Vizechefin

Gundula S. sieht sich als Bauernopfer in der Stimming-Affäre. Ihr Anwalt kritisiert üppigen Auflösungsvertrag für Ex-Chef Kohl

Von Matthias Matern

Stand:

Die fristlose Kündigung der Ex-Vizegeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK), Gundula S., steht rechtlich offenbar auf tönernen Füßen. Der ebenfalls in den Strudel der Affäre um den Ex-Präsidenten Victor Stimming geratenen, langjährigen IHK-Mitarbeiterin wirft die Kammerspitze unter anderem mehrfache Beleidigung sowie eine Mitverantwortung für mehrere Vergehen vor, die Stimming zu Last gelegt werden. Die Vorsitzende Richterin am Arbeitsgericht Potsdam, Nadja Schön, ließ aber am zweiten Verhandlungstag, dem gestrigen Montag, gleich mehrfach durchblicken, dass sie den von der Kammer vorgebrachten Gründen für die fristlose Kündigung nur bedingt folgen könne. Da mittlerweile „einiges in sich zusammengefallen“ sei, wäre es schön, wenn man sich durch einen zeitnahen Vergleich eine zeitraubende Beweisaufnahme ersparen könne, regte die Richerin am Ende an.

Nach Ansicht der IHK-Anwälte soll S. die vielen Entscheidungen Stimmings zu seinen Gunsten, so etwa die Beschäftigung einer Sekretärin in seiner Firma auf IHK-Kosten oder hohe Entschädigungsleistungen, zumindest ungeprüft durchgewinkt haben. Insgesamt sieht die IHK einen Schaden von knapp 250 000 Euro in der Verantwortung der früheren Chefin der Abteilung Zentrale Dienste. Da sich S. aber nicht selbst bereichert habe, könne man sie nicht ohne Weiteres zur Verantwortung ziehen, so Richterin Schön am Montag. Auch an dem wohl spektakulärsten Vorwurf der IHK, S. habe eine Stasi-Akte eines Mitarbeiters aus einem geheimen Tresor der Kammer verschwinden lassen, hat Schön offenbar ihre Zweifel. Wie berichtet hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die mit der Aufarbeitung der Stimming-Affäre von der Kammer beauftragt worden war, in der IHK-Chefetage einen angeblich geheimen Tresor entdeckt. Nachdem S. nach übereinstimmenden Ausführungen die Existenz des Tresors bestätigt hatte, sei dieser zwei Tage später am Vormittag des 11. März wenigstens in Anwesenheit von Gundula S., dem derzeit kommissarischen IHK-Hauptgeschäftschäftsführer Manfred Wäsche und dem neuen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Christian Gerstädt geöffnet worden. Am Abend, als Wäsche und Gerstädt den Safe der damaligen Vize-Präsidentin Beate Fernengel zeigen wollten, war eine der Akten verschwunden. Als die IHK-Spitze am Tag darauf S. damit konfrontierte, bestritt diese, die Akte weggenommen zu haben und bekam postwendend die offensichtlich bereits vorgefertigte fristlose Kündigung augehändigt. Dass S. erst allen Beteiligten den Tresor mit allen Akten zeige, dann aber eine verschwinden lasse, sei wenig plausibel, so die Richterin. Zudem sei gar kein Motiv erkennbar. „Eine Verdachtskündigung darf nur bei einem dringenden Verdacht ausgesprochen werden. Da haben wir in diesem Punkt so unsere Zweifel.“

S. zufolge sei der Tresor zum einen sowohl Wäsche als auch dem früheren Hauptgeschäftsführer René Kohl bekannt gewesen, außerdem habe sie keineswegs ungehinderten Zugang zum Safe gehabt, da die notwendige Zahlenkombination stets in der Finanzbuchhaltung unter Verschluss gehalten worden sei. S., die bei der IHK für Finanzen und Personal zuständig gewesen war, sieht sich viel mehr als Bauernopfer bei der Aufarbeitung der Affäre rund um Ex-Präsident Stimming, gegen den nach wie vor die Staatswanwaltschaft Potsdam ermittelt. Während Ex-Hauptgeschäftsführer Kohl, dem ebenfalls vorgeworfen wird, das System unterstützt zu haben, quasi mit goldenem Handschlag verabschiedet worden sei und seines Wissens nach weder an ihn noch an Stimming bisher Schadensersatzforderungen gestellt worden seien, wolle die Kammer offenbar bei S. den finanziellen Schaden in Höhe von etwa 500 000 Euro eintreiben, sagte am Montag auch der Anwalt von S., Thomas Jürgens. Immerhin sei in Kohls Auflösungsvertrag festgelegt, dass dieser bis zum Auslaufen seines Arbeitsverhältnisses am 30. Juni von der IHK monatlich rund 10 000 Euro bekomme und zudem weiterhin seinen Dienstwagen nutzen dürfe. Kohl ist wie berichtet zudem seit Anfang Februar Geschäftsführer der Potsdamer Sicherheitsfirma GSE Protect. Nach PNN-Informationen war Kohl allerdings auch der einzige Betroffene, der von vornherein auf einen Arbeitsgerichtsprozess verzichtet haben soll. Ferner soll sein Gehalt seit April eingefroren sein. Demnach erhält er nur noch Kindergeld.

Sollten sich Gundula S. und die IHK nicht auf einen Vergleich einigen können, soll der Prozess am 18. August mit der Vernehmung von Zeugen fortgesetzt werden. Matthias Matern

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