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Homepage: Geringes Allgemeinwissen, kaum Theatererfahrung

Die Filmhochschule HFF sieht Bildungsdefizite bei den Bewerbern

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Allein in Deutschland starteten letztes Jahr 55 000 Absolventinnen und Absolventen diverser Medienstudiengänge in den Beruf. Damit hat sich ihre Zahl in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Etwa 1000 junge Schulabgänger bewerben sich jedes Jahr an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“. Nur jeder zehnte Bewerber besteht die umfänglichen Aufnahmetests. Einen Numerus clausus gibt es an der HFF nicht. Einzig entscheidend ist die künstlerische oder fachliche Eignung.

Wenn im Frühjahr an der Filmhochschule die Aufnahmeverfahren laufen, klagen damit betraute Lehrende immer häufiger über die schlechte Bewerberlage. Es gibt zwar sehr viele Interessenten, doch immer weniger wirklich geeignete. Die Aufnahmekriterien sind immer noch sehr hoch, aber in den letzten Jahren tendenziell gesunken.

Professor Traute Schölling unterrichtet Theaterdramaturgie in den Studiengängen Dramaturgie/Drehbuch und Schauspiel. „Unsere Erstsemestler sind mit Anfang 20 viel jünger als noch vor einigen Jahren. In diesem Alter sind sie logischerweise noch mehr an sich selbst als an der Gesellschaft interessiert. Sie stecken noch mitten in der Selbstfindung.“ Diese jungen Leute verfügen nach ihren Beobachtungen über ein geringeres Allgemeinwissen. „Sie kennen noch wenig von der Weltliteratur und haben kaum Theatererfahrung.“ Professor Schölling konstatiert ein zunehmendes Leistungsgefälle innerhalb der Jahrgänge: „Was früher alle wussten, wissen jetzt nur noch einige. Ein Gefälle gab es immer, aber das war nie so groß. Für mich stellt sich dann ganz konkret die Frage, wie ich das im Unterricht ausgleichen kann – eine Aufgabe vor allem im ersten Semester.“

„Die Vorbildung der Bewerber wird immer dünner“, meint auch Szenografie-Professor Lothar Holler. Das Szenografiestudium an der HFF setzt bereits das Grundstudium an einer anderen bildnerischen Kunsthochschule voraus. Nicht alle Bewerber kommen umfassend ausgebildet von exzellenten Hochschulen. „Schulen mit weniger Tradition oder Privatschulen fallen da deutlich ab“, so die Einschätzung von Holler. „Ein bequemer Weg für Abschlüsse wird bevorzugt. Es geht nicht mehr darum, sich das für den Beruf notwendige Know-Hows anzueignen, sondern um die für den Abschluss notwendigen Scheine“, so der Szenografie-Professor. Dem entsprechend seien dann auch die Arbeitsproben. Es werde mehr auf Äußerlichkeiten und Hochglanz Wert gelegt, als auf den Inhalt. „Schon über Inhalte zu reden, führt viele an die Grenzen ihrer Ausdrucksfähigkeit.“ Diese Oberflächlichkeit sei kaum noch zu unterbieten, auch und vor allem im politischen Denken. Eine Beschäftigung mit der Kunst finde allenthalben im Internet statt. „Die Bewerber kennen weder aktuelle Filme noch Inszenierungen, keine Ausstellungen. Auseinandersetzungen mit Kunst – international gesehen – tendieren gegen Null. Die klassischen Kunstschul-Standorte nehme ich hier ausdrücklich aus“, so Holler.

Es gibt viele Erklärungen dafür, warum die Bewerberlage so ist. Keine für sich allein ist schlüssig. Ursächlich sind sehr komplexe individuell wie gesellschaftlich bedingte Sachverhalte. Neue Marketingstrategien werden daran grundsätzlich kaum etwas ändern. Vielleicht studiert ein außergewöhnliches Regietalent den Eltern zuliebe „etwas Richtiges“. Die geborene Schauspielerin weiß von ihrem Talent gar nichts. Der potentielle ungarische Oscar-Preisträger spricht kein Deutsch und die Vietnamesin kann den Flug zum Eignungstest nicht bezahlen.

Die aktuell geführten Diskussionen um die neuen Abschlüsse Bachelor und Master verunsichern eher, und die Filmhochschulen konkurrieren untereinander um potentielle Bewerberinnen und Bewerber. „Ich glaube, dass man in der Kunst nur mit Spezialisierung und einer unverwechselbaren, ausgeprägten Individualität bestehen kann. Wir müssen unsere inhaltlichen und methodischen Einstellungsmerkmale viel stärker betonen“, meint Holler. Szenografie kann man an vielen Hochschulen studieren. Aber nicht überall wo Szenografie draufsteht, ist auch Szenografie drin.“ Martina Liebnitz

Martina Liebnitz

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