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Landeshauptstadt: „Geschafft“

Applaus im Plenarsaal: Mehrheit für Landtag in der Mitte / Jakobs: PDS-Paket nur über „Tafelsilber“-Verkauf zu finanzieren

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Innenstadt - Genau 20.30 Uhr ist es, als das Ergebnis der geheimen Abstimmung verkündet wird: 29 Stimmen dafür, 16 dagegen, drei Enthaltungen. Im dritten Anlauf haben die Potsdamer Stadtverordneten die Auslegung des Bebauungsplanentwurfs für einen neuen Landtag auf dem Grundstück des früheren Stadtschlosses beschlossen. Applaus erfüllt den Plenarsaal, die Männer in der ersten Reihe der SPD-Fraktion stehen auf, auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erhebt sich: Er lächelt in den Saal, in die Fernsehkameras, macht dann wenige Schritte vom Podium herunter, um Hans-Jürgen Scharfenberg symbolträchtig die Hand zu schütteln. Das Ergebnis sei „ein gutes Zeichen“, sagte der Oberbürgermeister anschließend, auch wenn er mit einer „größeren Mehrheit gerechnet“ habe.

Bereits zuvor hatte Jakobs dem Fraktionschef der Linkspartei.PDS „großen Respekt“ und „hohe Anerkennung“ ausgesprochen. Denn die PDS habe „Wort gehalten“ und sich bewegt – sie war jahrelang beharrlicher Gegner des Landtagsneubaus auf dem Alten Markt, nun hat sie sich in vier Wochen zum Befürworter gewandelt. Auch wenn wohl nicht alle der 18 PDS-Stadtverordneten in der geheimen Abstimmung für die Bebauungsplan-Vorlage der CDU votiert haben, „die PDS hat den längsten Weg zurückgelegt“, so Jakobs. Den rund zehn Millionen Euro schweren Forderungskatalog, den die Partei zur Bedingung für Ja-Stimmen oder Enthaltungen gemacht hatte, versuchte der Oberbürgermeister zu entschärfen. Die anderen Fraktionen sollten „nicht allzu sehr mit Steinen schmeißen“. Jeder habe schon mal Bedingungen gestellt. Jakobs sagte aber auch, dass insbesondere die Forderung der PDS, in den kommenden vier Jahren 55 Millionen Euro für die Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten auszugeben – 2,5 Millionen Euro mehr pro Jahr als bisher – sich nur über den Verkauf von städtischen Grundstücken finanzieren lasse. „Es wird auch sonst nicht mehr viele Spielräume geben“, so Jakobs weiter – mit diesem Beschluss seien die Investitionen der Stadt in den nächsten Jahren festgelegt. Dass Scharfenberg und die Linkspartei.PDS nun die Richtlinienkompetenz übernommen hätten, wies Jakobs zurück: „Die liegt immer noch bei mir.“

Die Fraktionschefs von Bündnis 90/Grüne und Bürgerbündnis/FDP hatten das Vorgehen der PDS auf das Schärfste kritisiert: Der Forderungskatalog sei „Erpressung“, die Partei habe sich jede Stimme vergolden lassen, das sei „nicht unser Verständnis von Demokratie“, sagte Ute Bankwitz (BürgerBündnis). Damit sei der Nährboden für eine „rosa-rote Geschenkekoalition“ geschaffen, außerdem seien die Weichen für die Kommunalwahl 2008 zugunsten der PDS gestellt. Bankwitz nannte es einen „Treppenwitz“, dass die Nachfolgepartei der SED, die die Sprengung des Stadtschlosses beschlossen habe, nun den größten parteipolitischen Nutzen aus der Entscheidung ziehe. Peter Schüler (Grüne) kritisierte, dass die PDS sich bei ihrem Sinneswandel auf die Bürgerbefragung beziehe – bei der hatten 43 Prozent der 56 000 beteiligten Potsdamer das Schlossgrundstück als Landtagsstandort favorisiert – doch dazu Bedingungen und finanzielle Ausgaben diktiere, die die Potsdamer nicht gewollt hätten.

Im Streit um die Gestaltung des Landtagsneubaus setzten sich PDS und SPD durch: Beschlossen wurde ein Bebauungsplanentwurf, der den Architekten den größten Spielraum lässt. Abweichungen vom Grundriss des Schlosses sind zulässig, allein die Nordseite zum Alten Markt hin soll sich komplett nach historischen Vorgaben richten. CDU-Fraktionschef Steeven Bretz nannte die Vorlage, die seine Partei eingebracht hatte, einen „Drahtseilakt“. Es sei „ein Kompromiss, da darf es keine Sieger oder Besiegte geben“. Eine neu eingearbeitete Formulierung besagt, der Neubau müsse die „strukturelle Proportionalität des Vorgängerbaus“ aufnehmen – ursprünglich wollte die CDU deutlichere Festlegungen zugunsten einer historischen Gestaltung. SPD-Fraktionschef Mike Schubert sagte, mit diesem Beschluss lasse sich die „Seele der Stadt“ wiederherstellen. Dass ein Kompromiss mit der PDS gefunden werden musste, sei zu respektieren, da die Schlosskoalition aus SPD, PDS und Grünen keine Mehrheit zustande gebracht habe. Dass es auch mit der PDS nur 29 Ja-Stimmen waren, störte ihn zum Schluss nicht: „Geschafft“, mehr wollte er nicht sagen.

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