Landeshauptstadt: Geschichte neu ausgegraben
Die Bauarbeiten am Alten Markt verändern auch die Vergangenheit – und stellen die Frage, wer ist Eva?
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Innenstadt - Die Bauarbeiten rund um den Alten Markt schreiben Potsdams Geschichte neu. Denn Hinweise auf eine askanische Turmburg aus dem 13. Jahrhundert sind bei den Ausgrabungen nicht gefunden worden, sagte Grabungsleiter Jonas Beran gestern. Daher müssten die Publikationen über die Geschichte des Stadtschlosses und die Besiedlung der Stadt ab dem 12. Jahrhundert zumindest örtlich verändert werden. Zwar ist die Existenz des Baus überliefert, doch an der bislang vermuteten Stelle sind einzig die Reste bürgerlichen Lebens sowie ein früherer Graben gefunden worden. Ein Burgbau ist erst ab dem 16. Jahrhundert nachweisbar, so Beran: Der sogenannte Katharinenbau als Keimzelle des späteren Stadtschlosses am Alten Markt.
Für den Landtagsneubau und die Wiedergewinnung der historischen Mitte laufen die Arbeiten derzeit auf Hochtouren. Zwei Brücken werden neu gebaut, die Straße umverlegt, archäologische Grabungen finden statt und ganz nebenbei sind auch das Alte Rathaus und die Nicolaikirche eingerüstet. Oberbürgermeister Jann Jakobs schaute sich gestern die Operation am offenen Herzen der Landeshauptstadt an und dabei blieb zumindest eine Frage offen: Wer ist Eva?
Lange Brücke: Parallel zur langen Brücke entsteht derzeit für mehr als zehn Millionen Euro zwei neue Brücken für Straßenbahn, Busse, Radfahrer und Fußgänger. Insgesamt 100 Mikropfähle aus zehn Zentimeter dicken Stahl sind für die Brücke über die Neue Fahrt 28 Meter tief in den Boden gerammt worden. Ab Oktober soll die neue Brücke montiert werden. Architektonisch ist das Bauwerk von Architekt Henry Ripke, der auch die umstrittene Waldschlösschenbrücke in Dresden entworfen hat, in verschiedene Bögen gegliedert. Die Brücke über die Neue Fahrt hat einen Brückenbogen, die über die Alte Fahrt drei in Richtung Stadtzentrum kleiner werdende Bögen. Diese Aufteilung stehe für die Kleinteiligkeit der Architektur in der Innenstadt.
Friedrich-Ebert-Straße und Breite Straße: Die Neuordnung der Straßen soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, sagte Ramona Löser-Fimmel. Sie koordiniert die Arbeiten an sämtlichen Baustellen in der Innenstadt. Von da an würden die Autos über die neue Breite Straße fahren, die direkt am Hotel entlang führt. Die Straßenbahn in der Friedrich-Ebert- Straße soll ab 22. September an anderer Stelle fahren. Dann wird es zu Verzögerungen kommen, da alle Bahnen vom Bahnhof in Richtung Innenstadt am Platz der Einheit abbiegen und eine Schleife fahren müssen.
Alter Markt: Gerüste an allen Ecken. Noch etwa zwei Jahre soll die Sanierung der Nikolaikirche andauern. Auch mit der Sanierung des Alten Rathauses ist gerade begonnen worden, bis Ende 2009 soll die Fassade fertig sein. Die Gebäude an der Alten Fahrt, an der einst das Palast-Hotel und das Palais Barberini standen, sollen zeitgleich mit dem Landtag gebaut werden, sagte Jann Jakobs. Ein Ausschreibungsverfahren werde in den nächsten Woche gestartet. Es gebe viele Interessenten für die Grundstücke.
Grabungen am Alten Markt: Vor dem Bau des Landtages wird der Baugrund von Archäologen untersucht. Die Fundstücke sind vielfältig, vom chinesischen Geschirr aus den Anfängen des Handels mit China bis hin zum königlichen Küchenabfall aus dem 19. Jahrhundert haben die Archäologen gefunden. 2,5 Millionen Euro kostet die Sicherung des Potsdamer Erbes im Untergrund, seit 2006 wird gegraben. Gefunden worden sind etwa 50 Pferde, so Grabungsleiter Jonas Beran. Allerdings keine Hinweise auf die an dieser Stelle erwartetete askanischen Turmburg. Aber einen Ziegelstein, der mehr Rätsel aufgibt als üblich. Denn in dem Stein aus dem 15. Jahrhundert ist eine Schrift eingebrannt. Lesbar ist: „Herre jung ritt Eva“. Mehr nicht – ob die Archäologen damit einen Hinweis auf das Paradies und den Garten Eden in Potsdam gefunden haben?
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