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Landeshauptstadt: Gesprengtes Dixi-Klo: Täter verurteilt
Im Prozess um ein in die Luft gejagtes Klohaus zog der Verteidiger alle Register – vergebens
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Plädierende Anwälte können auch bei Zuhörern und jenseits von Rechtsfragen für ganz praktischen Erkenntnisgewinn sorgen: Ein handelsübliches Dixi-Klo, eine Woche lang täglich von fünf Bauarbeitern benutzt, wiegt am Ende samt Füllung, aber ohne Bauarbeiter, rund 150 Kilo. Das lernten Gericht, Ankläger und Zuhörer am Donnerstag im Amtsgericht Potsdam. Ausgerechnet hatte das Rechtsanwalt Ernst Lattwin. Er verteidigte vor dem Schöffengericht den 21-jährigen Steven S.* . Wie, fragte der Jurist, solle sein körperlich beeinträchtigter Mandant so ein schweres und unhandliches Ding transportieren? „Es geht nicht um den Standort des Häuschens, sondern um seine Sprengung“, parierte die Vorsitzende Richterin Doris Grützmann. Und da reiche die Indizienkette für eine Verurteilung aus.
Die mobile Kunststoff-Toilette stand ursprünglich an der Nesselgrundbrücke, die im Frühjahr erneuert wurde. Als die Bauarbeiter am Samstag, dem 21. April, Feierabend machten, war das blau-weiße Klo noch da. Am darauffolgenden Montag lagen seine Einzelteile meterweit im nahen Wald verstreut.
Immerhin zwei Tage brauchte das Schöffengericht, um Steven S. als Täter zu überführen. Am Donnerstag wurde der arbeitslose Kraftfahrer wegen „Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Sachbeschädigung“ zu 100 Stunden Sozialarbeit verpflichtet. „Sie haben offenbar eine Affinität zu explosiven Stoffen“, gab die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zu bedenken und spielte damit auf einen Strafbefehl wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz an, den Steven S. im Jahr 2010 erhielt. Damals wurde er bei einer Fahrzeugkontrolle mit 22 der in Deutschland verbotenen „Polenböller“ unter dem Beifahrersitz seines Autos erwischt.
Während der Verhandlung outete sich Steven S. zwar als Besitzer des Klebebandes, mit dem die Tür der Toilette abgedichtet wurde, bevor sie in die Luft flog. Mit ihrer Eigendynamik wollte er aber nichts zu tun haben. Die zum Tatort gerufenen Ermittler fanden wenig Hinweise, wodurch die Explosion des rund 1000 Euro teuren Dixi-Häuschens ausgelöst worden sein könnte. Allerdings wurden auf drei Klebebandschnipseln drei Daumenabdrücke der linken Hand des Angeklagten gesichert.
„Die Spuren auf dem Klebeband besagen eindeutig, dass der Angeklagte an der Tat beteiligt war. Er hat zugegeben, sich an der Brücke mit Freunden getroffen haben“, führte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft aus. Aus einer Laune heraus sei dann ein ein folgenreicher Entschluss gefasst worden.
Fast eine Stunde lang plädierte der Verteidiger. Er zog alle Register, Zweifel an der Schuld seines Mandanten zu streuen. Aus seiner Sicht sei überhaupt nicht klar, wodurch das blau-weiße Klo zerbarst. Sprengstoff sei jedenfalls nicht gefunden worden. „Wenn eine Sprengung stattgefunden hätte, dann hätten trotz des inzwischen eingesetzten Regens Reste des Sprengmittels gefunden werden müssen“, sagte er. „Die sind nämlich wasserabweisend.“ Im Übrigen könnten Dinge auch mal unabsichtlich hochgehen oder platzen. Er denke da an den von der Hausfrau auf dem Herd vergessenen Schnellkochtopf oder einen Fahrradreifen unter Überdruck. „Wenn es sein kann, dass auch alles anders war, dann ist der Angeklagte nach dem Grundsatz ’In dubio pro reo’ freizusprechen“, betonte der Rechtsanwalt. Für das Gericht stand aber eine beabsichtigte Detonation fest. „Auch Dumme-Jungen-Streiche können erhebliche Folgen haben“, gab die Vorsitzende zu bedenken. (*Name geändert.)
Gabriele Hohenstein
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