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Aus dem GERICHTSSAAL: Geständig bis zur Schmerzgrenze

Verteidiger: Mandant hebt sich positiv von anderen hoffnungslosen Fällen ab

Stand:

„Der Angeklagte war geständig bis an die Schmerzgrenze“, konstatierte die Staatsanwältin. Deshalb plädierte sie dafür, „wenn auch mit Bauchschmerzen“, dem Bewährungsversager eine allerletzte Chance zu geben. Das sah das Schöffengericht ebenso und verurteilte Clemens C. (21, Name geändert) wegen dreifachen Diebstahls, versuchter Nötigung, Körperverletzung sowie Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von zwölf Monaten. Sie wurde für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und ist bereits rechtskräftig.

„Wenn ich Alkohol getrunken habe, werde ich aggressiv. Dann schlage ich auch mal zu. Am nächsten Tag frage ich mich, was da wieder in mich gefahren ist“, bekundete Clemens C. „Erst vor zwei Wochen habe ich jemandem die Nase gebrochen.“ Davon wusste die Staatsanwaltschaft noch gar nichts. Gestern ging es um Straftaten aus dem vergangenen Jahr. Am 24. September 2008 soll der Neunklassen-Abgänger eine Musikanlage aus einer Wohnung gestohlen haben. Acht Tage später entwendete Clemens C. laut Anklage bei „Netto“ in den Bahnhofspassagen eine Flasche Bier. Bei „Rossmann“ wurde er am 11. Dezember beim Rasierklingenklau ertappt. Der Detektiv, der den Dieb festhalten wollte, schloss schmerzhafte Bekanntschaft mit dessen Faust. Auch die Jacke des Sicherheitsmitarbeiters ging kaputt. „Ich wollte weg. Aber der Detektiv hat mich nicht losgelassen. Da habe ich ihm zwei oder drei Schläge ins Gesicht versetzt“, räumte Clemens C. ein. „Sein Ohr war hinterher ganz rot. Die anderen Sachen stimmen auch alle.“ Die Musikanlage habe er in seinem damaligen Zimmer im Obdachlosenheim genutzt, sie dann dort gelassen. Das Bier habe er mitgenommen, weil er Durst, aber keinen Cent mehr in der Tasche hatte, berichtete er. Clemens C. ist bereits wegen mehrerer Diebstähle, Schwarzfahrens, Sachbeschädigung, Widerstandes gegen Polizeibeamte, Verwendens von Nazisymbolen, Beleidigung und Körperverletzung mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Inzwischen lebe er in Bayern, bereite sich in einem Berufsförderungszentrum auf eine Ausbildung zum Fachlageristen vor. Außerdem wolle er jetzt psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, um seine Trunksucht und die Aggressivität zu besiegen, versicherte der Angeklagte.

Seine Bewährungshelferin zeichnete das Bild eines „fast bindungslos lebenden jungen Mannes“, der mit 15 Jahren sexuell missbraucht wurde, danach im Heim lebte, seine erste eigene Wohnung verlor und auf der Straße landete. „Als Clemens zu mir kam, hatte er kein Einkommen. Ich habe ihn erst einmal im Obdachlosenheim am Lerchensteig untergebracht“, so die Sozialarbeiterin. Als im Juni dieses Jahres das Angebot kam, nach Bayern zu gehen, habe Clemens C. sofort zugegriffen. „Er hat einen sehr positiven Kern und inzwischen auch eine gute Entwicklung genommen.“ Verteidiger Volkmar Schöneburg hatte – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft – „keine Bauchschmerzen“ mit einer Bewährungsstrafe. „Mein Mandant hebt sich positiv von anderen hoffnungslosen Fällen ab. Er reflektiert seine Mängel mit einer Ehrlichkeit, die bemerkenswert ist“, betonte er. Hoga

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