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Drehbuchautor Benedikt Röskau zum „Wunder von Lengede“
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Drehbuchautor Benedikt Röskau zum „Wunder von Lengede“ Von Dirk Becker Es könnte so gewesen sein. Lengede 2003, ein historischer Zweiteiler zur besten Sendezeit auf SAT 1. Emotionsgeladen wird die Geschichte von 21 Bergleuten verarbeitet, die am 24. Oktober vor 40 Jahren, nach einem Wassereinbruch in ihren Stollen in einen so genannten „Alten Mann“, einen ungesicherten Schacht fliehen. Erst nach zehn Tagen werden elf Überlebende, die nicht von herabfallenden Gesteinsbrocken erschlagen wurden, entdeckt und nach weiteren vier Tagen gerettet. „Das Wunder von Lengede“, es wurde zum Erfolg für SAT1. Über neun Millionen Zuschauer an beiden Tagen, die Einnahmen aus den Werbeblöcken sollen fast die Investitionen des Senders refinanziert haben. Was der Zweiteiler zeigt, es könnte so gewesen sein, so die Einschätzung einiger Überlebender von 1963, die Drehbuchautor Benedikt Röskau nach ihrer Meinung zum Film fragte. Erinnerungen verändern sich. Auch bei seiner gut achtmonatigen Arbeit an dem Drehbuch wusste er irgendwann nicht mehr genau, was seine Ideen, was das Erzählte war, weil sich auch für ihn die Grenzen verwischten. Röskau, der Germanistik und Theaterwissenschaften studierte, heute in München als Autor lebt und mittlerweile auf 20 verfilmte Drehbücher zurückblicken kann – etwa für den Fernsehfilm „Feuerteufel“ – sprach am Dienstag in der Veranstaltungsreihe „Stoffentwicklung“ des Studienganges Film- und Fernsehdramaturgie / Drehbuch an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) über seine Arbeit am „Wunder von Lengede“. Vor drei Jahren wurde Benedikt Röskau zum ersten Mal auf einem Filmfestival in München gefragt, ob er die Geschichte vom Grubenunglück in einem Drehbuch bearbeiten könnte. Er sagte sofort zu und erhielt anderthalb Jahre später den Auftrag. Sein Ansatz war von Anfang an auf die emotionale Verbindung der Personen unter und über Tage. Weniger technische Details sollten bei ihm im Vordergrund stehen, sondern wie die Betroffenen mit der Situation des plötzlich Getrenntseins umgingen. Recherchiert hat er in den Akten der Staatsanwaltschaft und denen der Grubenleitung, so Röskau. Er hat mit Überlebenden und Angehörigen gesprochen und ist selbst unter Tage gegangen. Dort hat er sich mit einem Steiger in einen „Alten Mann“ gesetzt und für eine Viertelstunde die Lampen gelöscht. Die Dunkelheit war so absolut, dass er nach wenigen Minuten schon nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Dieses Gefühl, dass die eingeschlossenen Bergleute schon nach anderthalb Tagen, als die letzte Lampe verlosch, gefangen nahm, wollte Röskau auch durch sein Drehbuch vermitteln. Doch Kostengründe – über neun Millionen Euro hat die Produktion gekostet, vier davon trug SAT1 – führten nicht nur zu Kürzungen im Drehbuch und Streichungen ganzer Personen. Auch auf ein differenziertes Arbeiten mit dem Licht wurde bei den Dreharbeiten verzichtet. Und so leuchten die Helmlampen der eingeschlossenen Kumpel auch noch strahlend nach zehn Tagen. Einiges wurde an diesem Abend in der HFF zusammengetragen, was an der Verfilmung als störend empfunden wurde. Die starke Musiklastigkeit im ersten Teil, die übertriebene, fast schon modellhafte Kleidung von Heike Makatsch und Nadja Uhl als Bergarbeiterfrauen und die oftmals schnellen Schnitte, die bestimmte Emotionen regelrecht abwürgten. Aber, so begründet Röskau die Mängel, der Film war für die Beteiligten ein wirtschaftliches Wagnis. Denn wäre er nicht so erfolgreich gelaufen, dann wären „Köpfe gerollt“. Doch obwohl viele Kürzungen und Änderungen am Drehbuch vorgenommen wurden, ist Benedikt Röskau mit dem Ergebnis von Regisseur Kaspar Heidelbach sehr zufrieden. Denn die Umsetzung des emotionalen Grundgedankens, seine Kernidee vom Getrenntsein, ist in „Das Wunder von Lengede“ gelungen. Und auch für zukünftige Projekte wird Benedikt Röskau den Erfolg dieses Zweiteilers zu nutzen wissen. Spätestens bei den Verhandlungen um das Honorar ist die Quote von über neun Millionen Zuschauern ein nicht zu unterschätzendes Pfund.
Dirk Becker
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