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Aus dem GERICHTSSAAL: Gewalt am Bahngleis

Gericht dankt couragierten Frauen für ihr Eingreifen

Stand:

„Die betrunkenen Täter haben sich wahllos ein Opfer gesucht, es geschlagen und getreten. Ein solches Verhalten führt dazu, dass die Leute Angst haben, abends in der S- und U-Bahn zu fahren“, führt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer aus. Da ist das Verfahren gegen den vermeintlichen Hauptangreifer Tom T.* (19) bereits abgetrennt worden. Bevor sein Urteil gesprochen wird, will das Jugendschöffengericht weitere Zeugen hören. Der mitangeklagte geständige Daniel D.* (19) wird wegen gefährlicher Körperverletzung verwarnt. Er muss binnen zwei Monaten 60 Stunden gemeinnützig arbeiten.

Tom T. und Daniel D. sollen in der Nach des 24. April 2010 – vom Werderaner Baumblütenfest kommend – beim Halt auf dem Potsdamer Hauptbahnhof einen 23-jährigen Berliner aus dem Zug gestoßen, dem am Boden Liegenden mehrere kräftige Fußtritte versetzt haben. Der Lehrling erlitt diverse Hämatome am Körper sowie ein blaues Auge. Zwei Monate später – am 27. Juli vorigen Jahres gegen 3.45 Uhr – soll Tom T. einem Studenten, der ihn auf der Bahnhofs-Rolltreppe versehentlich anstieß, beim Einsteigen in die Linie S 7 vier Faustschläge ins Gesicht gegeben, ihn anschließend fünf- bis sechsmal gegen den Körper getreten haben. Die Staatsanwaltschaft betont das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.

Daniel D. beruft sich während des Prozesses auf Gedächtnislücken, die dem Werderaner Obstwein und härteren Sachen geschuldet seien. Außerdem hätten er und sein Kumpel Tom T. Cannabis konsumiert. „Aber an einen Tritt kann ich mich erinnern“, räumt der schmächtige Angeklagte ohne Schulabschluss ein. Als das Opfer auf dem Zeugenstuhl sitzt, entschuldigt sich Daniel D. bei ihm.

Romina R.* (24) war in jener Aprilnacht ebenfalls im Zug. Ob es auf der Fahrt von Werder nach Potsdam zu Aggressionen zwischen den beiden Angeklagten und dem später Geschädigten kam, hat sie nicht beobachtet. „Ich sah nur, dass zwei Herren einen Dritten zum Aussteigen zwangen. Der lag auf einmal am Boden und jemand hat auf ihn eingetreten. Ich rief die Polizei.“ Die Schöffengerichtsvorsitzende bedankt sich bei der jungen Frau für ihr couragiertes Verhalten.

Und es war ebenfalls eine Frau, die in der Nacht des 27. Juli 2010 vielleicht Schlimmeres verhinderte. „Ich war auf dem Weg zur Frühschicht, als ich die Schläge und Tritte sah, die der junge Mann einstecken musste. Seine Brille war kaputt. So etwas geht doch nicht“, empört sich die 63-Jährige im Zeugenstand. Sie informierte unverzüglich die Bahnhofsaufsicht.

„Das war ein völlig unangemessenes Verhalten, brutal und unsozial“, sagt die Vorsitzende zu Daniel D., der nach dem Besuch des Baumblütenfestes mit 1,36 Promille alkoholisiert war. Sein Urteil ist bereits rechtskräftig. Die Verhandlung gegen seinen unter Bewährung stehenden Kumpel Tom T. wird am 8. November fortgesetzt. (*Namen geändert.) Hoga

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