Landeshauptstadt: Gibt es in Japan eigentlich Baumärkte?
Das Art Department Studio Babelsberg baut eine Kulisse für die Weltausstellung Expo 2005 in Aichi
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Das Art Department Studio Babelsberg baut eine Kulisse für die Weltausstellung Expo 2005 in Aichi Von Guido Berg Babelsberg – Das menschliche Auge will betrogen sein. Es ist fixiert auf Oberflächen – Oberflächen, die nur in etwa so aussehen müssen wie im Original. Fehlstellen in der Kopie repariert das Gehirn spontan. Ein wenig Styropor in Form und Farbe gebracht und die Imaginationskraft springt an wie ein vorgeglühter Dieselmotor im Hochsommer. Welch ein Felsen! Welch ein Lava-Gestein! Da, eine Tropfsteinhöhle! Da, durch diese hohle Gasse, diesen Canyon, werden sie gehen, die 500 bis 600 Besucher des deutschen Pavillons auf der Expo 2005 im japanischen Aichi – und zwar pro Stunde, sechs Monate lang. Und sie werden nicht nur sehen wollen, sondern auch berühren, fühlen wollen. Rissig, kantig, erdig ist das Gestein, hart, verletzend, rau. Ist es eben nicht. Es ist immer noch nur Styropor. Ein Kubikmeter des Stoffes, aus dem die Illusionen sind, kostet 148 Euro und wiegt 45 Kilogramm. Für die Expo wird er mit einem härtenden Schutzüberzug aus „faserarmiertem Spritzbeton“ überzogen. Denn die Besucher „popeln gern mal an der einen oder anderen Stelle herum“, erzählt Jörg Winter, er hat seine Erfahrungen. Wenn das weiße Styropor zum Vorschein käme, wäre die Illusion dahin. Der freie Potsdamer Architekt hat sich für die Firma Art Department auf dem Gelände des Studio Babelsberg die täuschend echte Vulkangestein-Kulisse einfallen lassen. Art Department baut im Auftrag von Zierer Karussell- und Spezialmaschinenbau GmbH die Kulisse für die Expo-Erlebnisbahn. Hauptauftraggeber für die Projekte im deutschen Pavillon ist die Kölner Messe. Die sich für Deutschland interessierenden Besucher der Weltausstellung sollen eine Entdeckungsreise durch typische Landschaften an Rhein und Mosel erleben. „80 Prozent der japanischen Deutschlandbesucher“, sagt Jörg Winter, wollen Schloss Schwanstein und das Rhein-Mosel-Gebiet sehen. Das ist der Grund, warum eine der Kunststoff-Landschaften den Kölner Dom direkt an der Mosel und vor einem Bergmassiv zeigt – „obwohl Köln selbst auf dem flachen Land steht“. Es geht um die Symbolik, es muss schnell ein Eindruck haften bleiben. „In nur sechs Sekunden“ wird die Pavillon-Bahn mit den Besuchern am „Moseltal mit Dom“ vorbei fahren. Winter führt in dem alten Tonstudio aus den 30er Jahren durch das Reich, das seiner Fantasie entsprungen ist. Immer noch wird Beton auf die „Felsen“ gesprüht, Mitarbeiter schneiden mit dem Elektroschweißgerät Styropor-Stücke ab. Das Gerät arbeitet wie eine Säge, nur dass nicht gesägt sondern geschmolzen wird: Strom fließt durch das „Sägeblatt“ – einen Draht, der sich durch starken Stromwiderstand erhitzt und das Material an der Schnittstelle schmelzen lässt. Und wenn mal ein Stück zu viel abgeschnitten wird, „ja, dann wird es wieder angeklebt.“ Jörg Winter und Projektleiter Maik Härtel sind alte Hasen im Geschäft des schönen Scheins. Für die Expo 2000 haben sie in den Babelsberger Werkstätten die 200-Kubikmeter-Installation „Planet of Visions“ entstehen lassen. „Mit 40 Sattelschlepper haben wir die nach Hannover gebracht“, schwärmt Winter von vergangenen Großtaten. Nur das es diesmal nicht so leicht wird. Denn Japan liegt nicht eben um die Ecke. In sechs großen, sechzehn Meter langen Seecontainern wird die Installation ihren Weg nach Fernost antreten. 14 Tage wird in Babelsberg noch gewerkelt, 14 Tage dauert das Einpacken in die Container und Ende Oktober geht die Landschaft auf große Fahrt. „Am 6. Februar müssen wir mit den Containern vor Ort in Japan sein.“ Vom Land selbst werden sie dabei nicht viel haben. Die sechs Wochen Japan, sagt Winter, bestehen zu 99 Prozent aus Aufenthalten in der Halle und dem Weg von und zum Bett. Erst sind es 12 bis 14 -, in der Endphase 16 bis 18-Stunden-Tage. Das ist absehbar. Zudem: Die Stadt Aichi liegt „zwischen Kobe und Tokio – zwei bis drei Stunden entfernt von allem, was man in Japan sehen will.“ Bei der vielen Arbeit kam schon schon mal die Frage auf: „Gibt es in Japan eigentlich Baumärkte?“ Und was heißt auf japanisch: „Bitte, wo geht es hier zum Baumarkt?“ Ein Selbststudium Japanisch haben sich Winter und Härtel schon auferlegt, allerdings mit überschaubaren Resultaten. Es fehlt einfach die Zeit. Aber wie kommt eine Firma, die Filmkulissen baut, an die Expo-Aufträge? „In der Branche weiß man, wer was kann“, sagt Winter salomonisch. Auch ohne die Verschiebung der Dreharbeiten für „Mission Impossible III“ mit Tom Cruise, hätte das Japan-Geschäft stattgefunden. „Das wäre auch parallel gegangen“, versichert Projektleiter Härtel. Dazu erklärt Michael Düwel, Geschäftsführer von Art Department: „Die Herausforderung im Filmgeschäft ist der antizyklische Verlauf.“ Die außerfilmischen Aufträge machten bereits fast 50 Prozent des Umsatzes aus. Dazu gehöre der „Zeitspeicher“ in Papenburg, ein erlebnisorientiertes Informationszentrum für Touristen und die interaktive Inszenierung „Das Geheimnis der Treidelblüten“ zum Thema Bionik auf der Landesgartenschau in Wolfsburg. Filmisch haben sich die Babelsberger Kulissenbauer unter anderem mit den Hollywood-Streifen „Die Bourne Verschwörung“ und „In 80 Tagen um die Welt“ verewigt. Für die Jule Vernes-Verfilmung hat das Art Department die Freiheitsstatue nachgebaut – im Maßstab eins zu 34, zwölf Meter hoch. Der Expo-Auftrag ist zwar anspruchsvoll, aber nichts Außergewöhnliches. „Vom Geld her ist es eher ein kleines Projekt“, sagt Winter und Kollege Maik Härtel ergänzt lachend: „Der Preis ist doch nicht wichtig, nur das Ergebnis zählt.“
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