zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Glienicker Horn ruft Unesco auf den Plan

Welterbeberater von Icomos erwarten Erklärung von der Stadt und üben zwischen den Zeilen Kritik

Von Peer Straube

Stand:

Berliner Vorstadt - Der geplante Bau von vier neuen Stadtvillen am Glienicker Horn hat die Unesco und ihre Berater vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (Icomos) alarmiert. Man erwarte, dass die Stadtverwaltung die Vertreter von Icomos „über den aktuellen Sachstand ausführlich“ informieren werde, sagte Farid Gardizi, Sprecher der Deutschen Unesco-Kommission, auf PNN- Nachfrage. Auch Icomos fordert vom Rathaus schnellstmöglich Rapport. Die Stadt müsse jetzt „rasch zu einer nächsten Besprechung einladen“, sagte Bertold Burkhardt, Sprecher der Monitoringgruppe des Deutschen Nationalkomitees von Icomos, den PNN. Man bedauere „die eingetretene Entwicklung“ am Glienicker Horn, so Burkhardt.

Wie berichtet hat die Stadt für die letzten vier unbebauten Grundstücke auf der sensibel gelegenen Landzunge des Glienicker Horns vis-à-vis vom Park Babelsberg Baugenehmigungen für zwei bis dreigeschossige Stadtvillen erteilt. Eines der Häuser steht bereits im Rohbau. Die Grundstücke sollten eigentlich frei bleiben – so sah es ein noch in den 90er-Jahren geschlossener Kompromiss zwischen den Grundstückseigentümern, der Stadt und den Denkmalpflegern vor. Damals hatte die Bebauung des Glienicker Horns mit den sogenannten „Potsdamer Arkadien“ die Unesco zum ersten Mal auf den Plan gerufen. Die Welterbehüter sahen die insgesamt 33 entstandenen Stadtvillen als Bausünde und irreparablen Eingriff in die preußische Kulturlandschaft an – es drohte die Aberkennung des Welterbestatus. Vermieden wurde dies seinerzeit nur durch den Verzicht auf die Bebauung der vier Filetgrundstücke an der Spitze der Landzunge. In der Folge versäumte es die Stadt allerdings, den Kompromiss rechtssicher zu machen und die Baurechte im Einvernehmen mit den Eigentümern aus dem Bebauungsplan zu streichen. Das fiel erst 2005 auf, als eines der Grundstücke den Besitzer wechselte. Ein Bankier aus Nordrhein-Westfalen wollte sich am Glienicker Horn seinen Alterssitz errichten. Um dies zu verhindern, beschlossen die Stadtverordneten erst eine Veränderungssperre und schließlich einen geänderten B-Plan – ohne die vier Baurechte. Der wurde nach Klagen der Eigentümer vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) allerdings wieder kassiert, nicht zuletzt, weil die Stadt die Eigentümer nicht angemessen entschädigen wollte. Ein Kompromiss über eine Bebauung in geringerem Umfang scheiterte, danach verlor die Stadt vor zwei Jahren das entscheidende Gerichtsverfahren im Kampf um die Baurechte, abermals am OVG. Zwar sah auch das OVG die massiven Eingriffe in die Welterbezone durch eine Bebauung als gegeben an, doch sei die Stadt an dem Dilemma selbst schuld: Die Verwaltung könne sich nicht nachträglich auf denkmalrechtliche Probleme berufen, die sie im geltenden B-Plan bereits als angemessen gewürdigt erklärt habe, so der Tenor.

Seitdem haben alle vier Grundstücke die Eigentümer gewechselt, die nun die laut B-Plan zulässigen Baumassen ausschöpfen. Icomos hatte bereits Kritik an der Stadt geübt, weil diese die Unesco-Berater nicht über die Erteilung von Baugenehmigungen informiert habe, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Nun lässt Icomos auch durchblicken, dass die Situation womöglich eine andere wäre, hätte man den Kontakt früher gesucht: In den Rechtsstreit sei man von der Stadt Potsdam „nicht einbezogen“ worden, „ebenso wenig die zuständigen Welterbegremien der Unesco“, so Burkhardt. Daher müsse auch die Frage „offen bleiben“, ob ein Hinzuziehen der Welterbehüter „zu einem anderen Ausgang des Rechtsstreits geführt hätte“.

Über etwaige Konsequenzen für Potsdam zu entscheiden, obliegt „einzig und allein dem Unesco-Welterbekomitee in Paris“, so Unesco-Kommissionssprecher Gardizi. Ob Paris benachrichtigt werden müsse, entscheide das Kulturministerium in Brandenburg und zwar auf Basis der Einschätzung der „Denkmalpfleger vor Ort“. An deren Beurteilung hat sich indes seit den 90er-Jahren nichts geändert. Die Bebauung des Glienicker Horns bleibt nach Ansicht des Landesdenkmalamtes eine schwere Beeinträchtigung der preußischen Kulturlandschaft zwischen Potsdam und Berlin. Peer Straube

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })