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Landeshauptstadt: „Global village“ am Schlaatz

Interkulturelle Gesprächsrunde diskutiert und betet zusammen: auf Deutsch, Englisch und Dinglisch

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Wein stand auf dem Tisch und Kuchen, als Emmanuel Emeka Oruche vergangene Woche seinen 31. Geburtstag feierte. Um den Tisch im Gemeindehaus Schlaatz saßen zehn junge Afrikaner und Deutsche zwischen 15 und 34 Jahren. Sie sangen „Lean on me“ von Bob Dylan und das englische Kirchenlied „Blindman.“ Pfarrer Matthias Stempfle begleitete sie mit Hingabe am Klavier, ein Mädchen zupfte Gitarre.

Einmal pro Woche trifft sich die interkulturelle Gesprächsgruppe mit dem Namen „Global village“ im Schlaatz, um miteinander zu beten und zu diskutieren. Auf Deutsch, Englisch und Dinglisch reden sie über ihren Glauben und die verschiedenen Kulturen. Wenn diskutiert wird, reden die Deutschen kurz, die Afrikaner schon mal fünfzehn Minuten. „Aber wenn man sich ehrlich miteinander beschäftigt, erscheinen solche Unterschiede oberflächlich“, so der 33-jährige Pfarrer Stempfle, der die Gruppe leitet. Vielmehr habe er durch den Dialog zwischen den Kulturen angefangen, bekannte Dinge zu hinterfragen und erkannt, dass man jeden einzelnen und nicht als Menge sehen muss. Der studierte Diakon wohnt wie die deutschen Teilnehmer am Schlaatz: „Weil es hier schön ist, und auch nicht gefährlicher als woanders“, sagt er und zitiert dafür einen Polizeibericht.

Manchmal kommen nur zwei oder drei Teilnehmer zu den Treffen, erzählt Matthias Stempfle, das sei sehr unplanbar. Als er die Gruppe vor sieben Jahren gründete, bestand sie nur aus deutschen Jugendlichen. Dann schlug ein Mädchen vor, junge Asylafrikaner aus dem Asylantenheim am Potsdamer Lerchensteig einzuladen.

Heute gehören die Afrikaner fest zur Gruppe. Ein junger Mann aus Kamerun erzählt: „Die sind hier alle nett zu mir, ohne dass sie dafür Geld kriegen.“ Die Afrikaner nutzen die Gesprächsrunde auch, wenn sie Probleme und Fragen zum Deutschen haben, erzählt Pfarrer Stempfle, der die jungen Männern auch bei der Steuererklärung unterstützt. Dass es manchmal schwer ist für die Afrikaner, ihre Würde zu behalten, obwohl sie im Asylantenheim vor den Toren der Stadt wohnen, erfährt man nur indirekt. Die Deutschen ergänzen „Asylantenheim“ mit „am A der Welt“ und „direkt neben dem Klärwerk.“ Auf Nachfrage erzählt Emmanuel aus Nigeria, dass es überall in seiner Wohnung danach stinkt.

In ihren Heimatländern gehörten die Afrikaner zur Mittelschicht: „Man braucht schon etwas Geld, um überhaupt das Flugticket nach Europa bezahlen zu können und hier Asyl zu kriegen“, so Pfarrer Stempfle. Was sie hier erwartet, ist meist nicht, was die Afrikaner sich erhofften: „Ich wollte hier weiter Wirtschaft studieren“, sagt Emmanuel Emeka Oruche, der wegen seines laufenden Asyl-Verfahrens zur Zeit weder studieren noch arbeiten darf. Er hat Frau und Kind in Potsdam, spielt Fußball bei den „Potsdam Kickers 94“ und singt im Potsdamer „Just Sing Gospel Chor“. „Ich will mit Leuten zusammen sein, das ist mir wichtig“, erzählt er auf deutsch-englisch und schaut zufrieden in die Runde seiner Geburtstagsgäste. Er hofft, seine nächsten Geburtstage jetzt immer in Deutschland zu feiern. Marie Preiß

Weiteres unter www.kircheimkiez.de

Marie Preiß

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