Landeshauptstadt: Globale Ausbeutung hautnah
Innenstadt - Kaspars neues Outfit sieht aus wie ein Nachthemd, findet Annemarie. Über Hose und T-Shirt trägt der Junge ein wild gemustertes Wickeltuch.
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Innenstadt - Kaspars neues Outfit sieht aus wie ein Nachthemd, findet Annemarie. Über Hose und T-Shirt trägt der Junge ein wild gemustertes Wickeltuch. Bei der Eröffnung der interaktiven Ausstellung „Kleider machen Leute – Die lange Reise der Jeans“, die noch bis zum kommenden Dienstag in der Potsdamer Kinder- und Jugendbibliothek zu sehen sein wird, schlüpfte der Sechstklässler gestern in die Alltagskleidung eines Afrikaners.
In der Ausstellung können Besucher aber nicht nur lernen, wie sich Menschen in anderen Kulturen kleiden. „Wir wollen zeigen, unter welch unmenschlichen Bedingungen Textilien hergestellt werden“, sagte Katrin Korn, eine der Initiatorinnen der Ausstellung. In einem Rollenspiel konnten Schülerinnen und Schüler der Eisenhardt-Grundschule den bis zu 200 000 Kilometer langen Weg von der Baumwollernte bis zum Ladentisch zurückverfolgen.
Anhand konkreter Kurzbiographien, die in Form von Schaubildern und Arbeitsblättern plastisch gemacht wurden, versetzten sich die Schüler etwa in die Situation einer Baumwollpflückerin in Tansania. „Die Pflückerinnen arbeiten bei sengender Hitze und einer 70-Stunden-Woche für einen Monatslohn von 30 Euro. Das reicht gerade mal für eine Schlafstelle in einem Vier-Bett-Zimmer und für Essen und Trinken auf niedrigstem Niveau“, berichtete Katrin Korn, die 2003 im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts nach Tansania reiste und das Land aus eigener Anschauung kennt.
„Für die Zustände dort und in anderen Entwicklungsländern sind wir alle in gewisser Weise mit verantwortlich“, meint die Sozialpädagogik-Studentin. „Auch wenn ich die einzelne Näherin nicht persönlich kenne, habe ich viel mit ihrem Schicksal zu tun, indem ich ihre Jeans trage.“ Ein Gedanke, den Katrin Korn den Kindern erfolgreich vermitteln konnte: Einige der Schüler trugen ihre Jeans nach der Veranstaltung mit einem „richtig schlechten Gewissen“ nach Hause. am
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