Landeshauptstadt: Glücksgefühle in der Ticket-Schlange
Zwei Potsdamer Studenten erfüllen sich einen Traum und sind in Wimbledon live dabei
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Zwei Freunde – ein gemeinsames Ziel: Der Center Court in Wimbledon. Die beiden Potsdamer Studenten Christoph Wolf und Christian Poser wollen unbedingt einmal beim bedeutendsten, derzeit wieder stattfindenden Tennis-Turnier der Welt dabei sein. Eintrittskarten haben sie nicht. Stattdessen einen Schlafsack und einen alten Stadtplan von London.
Mit dem Flugzeug geht es von Schönefeld nach London-Stansted, Ankunft: 22.45 Uhr. Zum Glück sind keine Wolken am Himmel. Denn bei Regen wäre ihre ganze Reise umsonst. Mit dem Bus geht es zur Victoria Coach Station, dem zentralen Busbahnhof in Londons City. Um 0.30 Uhr kommen die beide im Zentrum an. Die Stadt schläft bereits. U-Bahn-Station und Kneipen sind geschlossen. Noch etwa 15 Kilometer mit der Nachtlinie bis Wimbledon. Nach 45-minütiger Fahrt ist das Ziel erreicht – Haltestelle Wimbledon. Die kleinen Einfamilienhäuser mit ihren winzigen Vorgärten versprühen den Charme eines beschaulichen Dorflebens. Die Straßen sind menschenleer, Der Stadtplan weist die beiden in Richtung Süden. Es ist kurz nach zwei Uhr. Am Ende einer Nebenstraße beleuchtet eine Laterne ein altes Schild mit der Aufschrift „Wimbledon Park“, dem Eingang zu einem alten Golfplatz. Wenige Meter weiter sind im leichten Nebel unzähliger Campingzelte zu erkennen.
„Welcome to the Wimbledon Queue“, flüstert ein älterer Mann im grünen Jackett. „Das ist das Ende der Ticket-Schlange“, ergänzt er und zeigt auf den Boden, dem Schlafplatz für die Nacht. Christoph und Christian bekommen von dem Steward ein Ticket in die Hand gedrückt, sie sind die Nummer 751 und 752 in der Reihe.
Mit einem freundlichen „Good morning ladies and gentleman“ beendet eine ältere Dame um 6.30 Uhr die Nachtruhe. Die Schlange auf der riesigen Wiese ist über Nacht weiter gewachsen. Christoph und Christian rollen ihren Schlafsack zusammen. Langsam bauen die Fans die Zelte ab. Die Menschenmassen werden geordnet in Richtung Tennisanlage geleitet.
Die Reihe schlängelt sich zwischen Parkplätzen, Häusern und Bäumen durch den Morgentau. Eine junge Frau verteilt kostenlose Wasserflaschen, ein Steward verschenkt kleine Schälchen mit frischen Erdbeeren, während Zeitungsverkäufer die neuesten Schlagzeilen anpreisen. Das Warten in der Schlange, mit der Hoffnung auf eines der Center-Court-Tickets, ist in Wimbledon Kult. Zuschauer aller Altersgruppen haben sich angestellt, die meisten bereits am Nachmittag des Vortages, und zusammen die Nacht verbracht.
Es ist kurz nach 8 Uhr. Die Menschen werden plötzlich unruhig. Klubhelfer verteilen bunte Armbändchen, die zum Kauf der begehrten Tickets für die größten drei Plätze berechtigen. 500 Karten stehen pro Stadion zur Verfügung. Als Nummer 751 und 752 reicht es für die beiden Deutschen nicht für den Center Court. Ein paar Meter weiter geben die Wartenden in den extra aufgestellten grünen Containern ihren Schlafsack ab. An der Church Road ist perfekt organisiert und akribisch geplant.
9.45 Uhr. Der Sicherheitscheck ist die letzte Hürde, dann geht es über eine kleine Brücke direkt zu den Stadienkassen. 36 Pfund kostet das Ticket für den zweiten Hauptplatz, mit dem auch die 15 weiteren Nebenplätze besucht werden können. Endlich, es ist geschafft. Die beiden Studenten haben den Eingang zum All England Lawn Tennis Club passiert. Um 12 Uhr beginnen die Spiele, die Sonne strahlt den ganzen Tag.
Kurz nach 20 Uhr begeben sich die meisten Fans auf dem Heimweg. Christoph und Christian bleiben bis zum letzten Ballwechsel. Auf dem Center Court wird noch gespielt. Sie versuchen ihr Glück. Als einige Zuschauer während einer Spielpause das Stadion verlassen, huschen sie schnell an den Kontrolleuren vorbei. „Wir sind drin, wir haben es geschafft“, jubeln die beiden. An jenem Ort, wo Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich einst ihre größten Erfolge feierten, verfolgen sie nun das Spiel einer unbekannten Chinesin, das noch kurzfristig auf den Platz angesetzt worden war. Den Freunden ist das egal. „Die Atmosphäre auf dem Center Court ist einmalig. Wir haben uns einen Traum erfüllt“, sagen sie.
Kurz nach 21.30 Uhr ist das Spiel beendet, machen sie sich auf den Weg zum Flughafen. Um 6 Uhr hebt der Flieger wieder Richtung Berlin ab. Lars Hartfelder
Lars Hartfelder
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