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Landeshauptstadt: „Goldene Äpfel“ auf dem Weinberg

Nach fast 60 Jahren kehrten die Pomeranzen nach Sanssouci zurück

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Nach fast 60 Jahren kehrten die Pomeranzen nach Sanssouci zurück Von Erhart Hohenstein Auf den Terrassen von Sanssouci haben die 84 kuglig geschnittenen Lorbeeren ebenso vielen jungen Pomeranzenbäumchen Platz gemacht. Besucher äußern sich enttäuscht: „Sehen die aber mickrig aus.“ Abwarten, kann Orangeriechef Hartmut Hiller nur raten. In einigen Jahrzehnten werden die jetzt zehn Jahre alten Pomeranzen bei gutem Wuchs und fachkundigen Schnitt ihre Kronen auf 2,40 Meter Durchmesser ausbreiten. Die ersten Monate haben die Wärme liebenden Pflanzen trotz des widrigen, durch Kühle, Wind und Regen bestimmten Frühlings leidlich überstanden. Sie haben ihre verführerisch duftenden Blüten entfaltet und Früchte angesetzt. „Es gibt keine nennenswerten Ausfälle“, konstatiert Hiller, der die von einer Hamburger Spezialgärtnerei gekauften Pomeranzen mit damals daumendicken Stämmchen drei Jahre kultiviert hat und im vorigen Sommer vor der Orangerie schon mal Probe stehen ließ. Mit dem Aufstellen der Zitrusgewächse kehren die Gartendenkmalpfleger der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zurück zu den Ursprüngen. Ein erhalten gebliebenes Pflanzeninventar aus dem Jahr 1746 verzeichnet die Lieferung von „60 Citrus“. Damals war die Treppenanlage noch in Bau. 1748 werden Orangeriegewächse des Potsdamer Stadtschlosses, die nach Charlottenburg ausgelagert worden waren, nach Sanssouci geholt, und im selben Jahr Apfelsinenbäumchen hinzu gekauft, die aber beim Frühjahrsfrost am 2. Mai 1749 erfrieren. Damals war das Orangenhaus (die heutigen Neuen Kammern) noch nicht fertig gestellt, die empfindlichen Pflanzen wurden winters in unzulänglichen Behelfsbauten untergebracht. Woher aber rührte die Liebhaberei des neuen Königs Friedrich II. für die Zitrusgewächse, von denen er schließlich an die 1000 Exemplare besaß? Die Pomeranzen sehen mit ihrem dunkelgrünen Laub, den weißen Blüten und den orangen Früchten wunderschön aus, doch mit dem anderen Obst, das in den Fruchttreibereien für die königliche Tafel heranwuchs, konnten sie sich nicht messen. Als Bitterorangen sind sie für den Verzehr wenig geeignet, allenfalls können sie für Liköre, Parfums und Orangeat verwendet werden. Bei Hofe dienten sie deshalb wohl nur als Teil der Tafeldekoration. Doch Citrusfrüchte, das sind auch die „goldenen Äpfel“, die Herakles ihren Bewacherinnen, den beiden Hesperiden, raubte. Mit göttlicher Hilfe, denn er sollte für seine zuvor zum Wohle der Menschheit vollbrachten Heldentaten belohnt werden. Durch den Besitz der Äpfel findet er Erlösung und wird unsterblich. So wie Herakles wollten auch die barocken Herrscher sein. Als Symbol dafür dienten ihre Orangerien. Sie wiederspiegelten ihre Macht, ihren Ruhm und auch ihre Finanzkraft, denn die exotischen Pflanzen waren nicht eben billig. König Friedrich ließ übrigens sogar ein „Krankenkrevier“ anlegen, um kümmernde Exemplare zu pflegen. Auf den Terrassen von Sanssouci standen die Pomeranzen bis Kriegsende 1945. Dann verschwanden sie, als Kriegstrophäen sowjetischer Offiziere in Zügen Richtung Moskau, wo sie meist verdorrt ankamen. Auch mancher Potsdamer soll damals seinen Wintergarten bereichert haben. Es dauerte also fast 60 Jahre, bis der Weinberg seinen ursprünglichen Schmuck zurück erhielt, in weiß gestrichenen quadratischen Pflanzgefäßen, was ebenfalls dem originalen Vorbild entspricht. Dies sollte den Besuchern doch ein besonderer Anlass sein, die Bäumchen zu schonen und sie nicht ihrer Früchte zu berauben, bittet Hartmut Hiller. Gleiches gelte für die Citrus unterhalb der Neuen Kammern, an der Orangerie im Neuen Garten, in Glienicke und Charlottenburg.

Erhart Hohenstein

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