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Landeshauptstadt: „Gott ist ein echter Liebhaber“

Bertram Althausen war sechs Jahre Superintendent in Potsdam – Sonntag wird er verabschiedet

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Als junger Mann folgte er der Logik. Bertram Althausen hatte schon den Studienplatz für Mathematik in der Tasche, als er beschloss, Gottesmann zu werden. Warum, kann der Sohn eines Theologenehepaares nicht mehr sagen, nur, dass er es nie bereute.

Ein kühler Rechner ist er dennoch geblieben, der besonders in den jetzt ausgehenden sechs Jahren als Superintendent der Evangelischen Kirche in Potsdam auch ihre Finanzen zusammenhalten musste. Der Schreibtisch des Managers in Kirchendingen ist viel zu klein. Aufgefächerte und mit Hühnergöttern beschwerte Papierstapel liegen nach dem Althausenschen Prinzip geordnet um den Arbeitsplatz drapiert. Die löchrigen Feuersteine stammen nicht aus seiner Ostsee-Sammlung, sondern aus der seiner Sekretärin.

Ihn zieht es vielmehr in die Berge. Der Hochgebirgswanderer macht auf den Gipfeln der alpinen Dreitausender und Viertausender seine Gotteserfahrungen. „Dort oben liegen die Alltäglichkeiten, die Welt, tief im Tal. Man ist dem Himmel ein Stück näher“, beschreibt Althausen den Grundzustand. In der absoluten Stille nimmt er Gott wahr. „Ich kann ihn hören“, sagt er. Sein, wie er sagt, gutes Verhältnis zu Gott pflege er auf dreierlei Wegen: In Gedanken, in Auszeiten und im persönlichen Gebet. Letzteres habe er nach dem kindlichen Beten vor dem Zubettgehen erst wieder als „mittelalter Mann“ entdeckt. Mit Gott ließe sich trefflich streiten, sagt der 49-Jährige. Es komme auch vor, dass er mit seinem obersten Dienstherren hadere.

Auch sonst geht Bertram Althausen Konflikten nicht aus dem Weg. Im synodalen System der evangelischen Kirche gebe es ein demokratisches Mitbestimmungsrecht. Gemeinsame Regeln würden in Gesprächen oder auch Disputen entwickelt. Seine Vorstellung von Kirche und Gemeinde ist streitbar. Das hat Althausen nicht nur Freunde gebracht. „Zwei Menschen, die sich lieben und trotz Konfessionslosigkeit einen kirchlichen Segen erbitten, schicke ich nicht fort.“ Sein sehr offenes Verständnis von Kirchenarbeit stieß nicht immer auf Gegenliebe, auch nicht in der Gemeinde der Friedenskirche. „Wenn ich aber doch weiß, dass ich mit klassischer Gemeindearbeit gerade mal 20 Prozent der Kirchenglieder erreiche, muss ich umdenken“, sagt Althausen.

Ob die Unbeweglichkeit einiger Mitglieder der Kreissynode ihn zum Entschluss geführt hat, die Superintendentur aufzugeben, will Althausen nicht sagen. Vielleicht war es auch der Drang eines fast 50-Jährigen nach einer Veränderung in seinem Leben. „Persönliche Motive spielen immer eine Rolle“, sagt er. Am 1. Februar wird Althausen Leiter eines neuen Instituts für Fort- und Weiterbildung, das die gemeinsame Gesellschaft der Stephanus-Stiftung und der Hoffbauer-Stiftung für Berlin und Brandenburg gegründet hat. Was ihn an der neuen Tätigkeit besonders reize, sei z das Gestalterische beim Aufbau einer solchen Einrichtung – und dass er selbst inhaltlich und wissenschaftlich arbeiten müsse. „Arbeiten und Lernen – eine neue Herausforderung.“ Mit neuen Aufgabenfeldern wie Behindertenhilfe und Altenhilfe. Und vor dem Hintergrund neuer Sozialgesetzgebung ein spannendes Aufgabenfeld.

Der Wechsel zur Diakonie sei aber kein Abschied von der Kanzel. „Ich bleibe Pfarrer, allerdings ohne Gemeinde.“ Die Umstellung werde ihm leicht gemacht. Schon jetzt hätten ihn einige um eine Gastpredigt gebeten, darunter auch seine bisherige Gemeinde der Friedenskirche. „Das Angebot nehme ich gerne an“, sagt Althausen.

Für die Ausbildung von Führungskräften habe er Erfahrungen sowohl als Landesjugendpfarrer, der er zehn Jahre war, und auch als Superintendent gesammelt. Wie im normalen Management auch ginge es dabei um so banale Dinge wie Lob und Anerkennung der Leistung von Mitarbeitern. Menschen, die aber leitende Positionen innerhalb einer diakonischen Einrichtung inne hätten, sollten außerdem den christlichen Ethos leben wollen, sagt Althausen. Die für ihn persönlich wichtigsten Werte seien Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsbewahrung. „Einfache Begriffe, die bei längerem Nachdenken ihre Vielfältigkeit offenbaren“, meint Althausen. Es seien die Grundwerte, die er seinen drei erwachsenen Kindern vermittelt habe, die er predige, die zuletzt auf ihn zurückfielen.

Und noch eine eigene Erfahrung möchte er weitergeben: Die universelle Liebe Gottes. Sie sei bedingungslos, umfasse die Menschen mit ihren verschiedensten Kulturen. „Gott ist ein echter Liebhaber – durch dick und dünn“, sagt Althausen und erzählt wie es ganz dicke kam, vor fast 20 Jahren. Damals habe ihn ein Mann mit einer Axt angegriffen und ihm ein Loch in den Kopf geschlagen. „Der wollte mich umbringen“, stellt Althausen nüchtern fest. Weil er überlebte und keinen bleibenden Schaden außer der Erinnerung an ein einschneidendes Erlebnis zurückbehielt, spricht er von der Erfahrung der Bewahrung. „Ich habe mein Leben neu überdacht“, erzählt er.

Nicht immer sind es so krasse Erlebnisse, die den Menschen zum Umdenken zwingen. Nicht immer spricht man offen über das, was zu Veränderung bewegt. Vielleicht wäre Bertram Althausen gerne noch länger Superintendent geblieben, mit einem Büro im Schatten der Friedenskirche nahe Sanssouci und damit einem der schönsten Arbeitsplätze in Potsdam. „Es gibt auch viele andere schöne“, sagt er. Seine neue Wirkungsstätte werde in Potsdam, in Berlin, aber auch in der Uckermark und in der Prignitz sein, überall dort, wo die rund 3500 Mitarbeiter der Stiftung sitzen. In Potsdam aber bleibe er wohnen. Die Frage, ob er nach einer neuen Herausforderung gesucht habe, bleibt unbeantwortet. Auch, ob es Druck von außen gab. Sein Weggang kam für viele überraschend. „Ich rede über so etwas nicht lange“, so Althausen. Einen Nachfolger gibt es für ihn noch nicht. Den zu finden, werde mindestens ein Jahr dauern. Als Althausen die Tätigkeit in Potsdam 2001 übernahm, war die Stelle des Superintendenten drei Jahre vakant gewesen.

Bertram Althausen wird am Sonntag, dem 21. Januar, ab 18 Uhr bei einem Gottesdienst in der Friedenskirche verabschiedet.

Nicola Klusemann

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