Landeshauptstadt: Gourmettempel oder Privatresidenz
Villa Kellermann vor der Versteigerung: Wird das letzte öffentliche Haus am Heiligen See geschlossen?
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Villa Kellermann vor der Versteigerung: Wird das letzte öffentliche Haus am Heiligen See geschlossen? Von Michael Erbach Maximilian Dreier hat ziemlich genaue Vorstellungen, was aus der Villa Kellermann werden soll. Der Geschäftsführer des gleichnamigen italienischen Nobelrestaurants in dem weitgehend herunter gekommenen Prachtbau am Heiligen See möchte natürlich sein Restaurant – nach der Wende der erste Potsdamer Gourmettempel überhaupt – weiterführen. Dazu sollten hochkarätige Kulturveranstaltungen, lukrative Tagungen und andere repräsentative Veranstaltungen in das Haus geholt werden. Ob es aber zu der auch von vielen Anwohnern gewünschten öffentlichen Nutzung kommt oder das letzte frei zugängliche Villengrundstück am Heiligen See zu einer abgeschotteten Privatresidenz wird, das wird der neue Besitzer entscheiden. Dreier hat allen Grund, der morgigen Zwangsversteigerung entgegen zu fiebern. Zwar hat er einen bis 2010 befristeten Mietvertrag, doch bei Zwangsversteigerungen könnte ein Sonderkündigungsrecht für Gewerbemietverträge greifen. Dreier würde wieder kämpfen müssen – so wie der 52-Jährige schon fast ein Jahrzehnt um den Erhalt seines Restaurants ringen muss. Bitterkeit spielt um seinen Mund, wenn er konstatiert, dass die Stadt Potsdam es im Grunde ihm zu verdanken hat, dass man bislang am Ufer des Heiligen Sees speisen kann, jedermann den Sonnenuntergang im Garten genießen und den Blick zum gegenüberliegenden Marmorpalais schweifen lassen kann. Denn Dreier war der einzige Mieter des einstigen Kulturbundhauses, der den Kampf mit Johannes Rey aufnahm, jenen zwielichtigen Immobilienhändler aus Oberursel, der als „Plattmacher vom Heiligen See“ jahrelang für Schlagzeilen sorgte. Rey verfolgte den völlig unsinnigen Plan, aus der Villa eine Spielbank zu machen, mit äußerster Zielstrebigkeit. Drohungen, Kündigungen, Schikanen – damit brachte Rey alle Mieter dazu, das Haus zu verlassen. Bis auf Dreier. In weit über einem Dutzend Gerichtsverfahren standen sich die beiden gegenüber. Rey verlor ein ums andere Mal gegen den wehrhaften Mieter, nur um kurz danach zum nächsten juristischen Schlag auszuholen. Zwischenzeitlich wurde die Villa selbst immer wieder zum Schlachtfeld. Plötzlich aufgeschüttete Baugruben, Baugerüste, auf denen sich monatelang nichts tat, zubetonierte Abflussrohre, abgeschlagene Heizungsklappen, giftiger Lack auf dem Fußboden – „unbekannte Täter“ unternahmen beinahe alles, um den Restaurantbetrieb zu torpedieren. Da wurde auch mal eine Kreissäge in die zweite Etage geschleppt, um während der Mittagszeit mit kreischendem Geräusch Holz zu sägen – genau hinter einem offenen Fenster über der Terrasse, wo die Gäste des Restaurants tafelten. Dreier blieb standhaft, auch wenn der Restaurantbetrieb wegen der kaputten Heizungsanlage manchmal monatelang ruhen musste. 2001 endete der Spuk, denn Rey setzte sich auf der Flucht vor seinen Gläubigern nach Italien ab. Er hinterließ offene Rechnungen und ein Gebäude, das, so Dreier „an Wert verloren hat“. Deshalb versteht der Gastronom auch nicht, weshalb die Bank, die die Villa wegen Reys Schulden in Zwangsverwaltung nahm und notdürftig herrichtete, 2,1 Millionen Euro für die Villa und noch einmal 1,8 Millionen Euro für das angrenzende Grundstück verlangt – Rey hatte alles 1996 für etwas mehr als fünf Millionen D-Mark gekauft. So hält es Dreier für möglich, „dass sich am Freitag zunächst kein Käufer findet, weil der Preis zu hoch ist“. Unter den Bietern werden morgen auch Freunde des Hauses sein, die eine öffentliche Nutzung favorisieren. So hat sich vor kurzem auch ein Immobilienbeauftragter von Fernsehmoderator Günther Jauch die Villa genau angesehen. Aber Dreier hat auch gehört, dass Johannes Rey oder ein von ihm Beauftragter unter den Bietenden sein könnte. Auf eine erneute Auseinandersetzung mit Rey hat Maximilian Dreier keine Lust. Vorsorglich hat er aber schon Anträge vorbereitet, mit denen er einer eventuellen Sonderkündigung seines Mietvertrages begegnen will. Maximilian Dreier, Pächter des Restaurants „Villa Kellermann“ hofft auf eine öffentliche Nutzung der Villa nach der Versteigerung – und darauf, dass sein Restaurant bleiben kann.
Michael Erbach
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