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Links und rechts der Langen Brücke: Grabesstille bevorzugt

Nicola Klusemann über Potsdams zweifelhafte Kinderfreundlichkeit

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Kinderlärm ist Zukunftsmusik. Eine Wahrheit, die offenbar nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschlands kinderfreundlichster Stadt so empfunden wird. Wie jüngste Beispiele und Entscheidungen in Potsdam auf erschreckende Weise zeigen: Noch nicht geklärt ist, wer das Feuer an der Internationalen Schule gelegt hat. Das fällt in den Aufgabenbereich der Polizei. Vorabverdächtigungen sind unzulässig. Fest steht aber, dass sich die Nachbarn der Grundschule schon vor dem vernichtenden Brand mit aller Vehemenz gegen die Bildungseinrichtung gewehrt haben. Es gab mehrfach Beschwerden wegen Lärmbelästigung durch spielende Kinder und auch eine Unterschriftensammlung gegen die nach dem Sommer geplante Kindertagesstätte. Kinderlachen und übermütiges Kreischen wird als störend empfunden. Gewünscht wird Grabesstille statt Lebensfreude. Dazu werden sogar Behörden bemüht, die dann für diese Ruhe sorgen sollen.

Ähnlich verquer wurde auch bei der jüngsten Debatte über eine Grundschulansiedlung im Bornstedter Feld argumentiert. Weil sich die Grundstücke, so die Botschaft eines großen Bauunternehmers, die in unmittelbarer Nähe zu einer Grundschule liegen, schlechter vermarkten lassen, sah man vom ursprünglichen Plan ab. Verkehrte Welt: Eigentlich sollte die Nähe zu Kindergarten und Schule einer der Hauptgründe sein, warum junge Familien hier Grundstücke erwerben. Paradox auch, dass der Entwicklungsträger Bornstedter Feld mit genau diesen weichen Standortfaktoren in bunt bebilderten Broschüren potenzielle Käufer wirbt, die Ansiedlung einer Schule dann aber an den Rand des Gebietes verlegt. Kinder als Störfaktor. Es ist traurig, dass man an dieser Stelle überhaupt Überzeugungsarbeit leisten muss. Aber es wird eine Zukunftsaufgabe sein, bei geplanten Spielplätzen, Kitas und Schulen künftig die Nachbarschaft auf ungehemmte Fröhlichkeit und unerschütterlichen Bewegungsdrang sorgsam vorzubereiten. Die laut Familienatlas 2007 kinderfreundlichste Stadt jedenfalls ist dies offenbar nur auf dem Papier. Eine Vielzahl der Potsdamer sind es nicht.

Nicola Klusemann

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