Landeshauptstadt: Grabungen am Alten Markt dauern länger
Archäologe Jonas Beran: „Drei statt zwei Jahre“ / Älteste Funde: Pfeilspitzen von eiszeitlichen Rentierjägern
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Innenstadt - Auch die ursprünglichen Zeitpläne der Archäologen auf dem Stadtschloss-Areal sind nicht mehr zu halten. Grund ist das am 1. Februar begonnene und ursprünglich nicht vorgesehene Planfeststellungsverfahren für die neue Verkehrsführung in der Stadtmitte. Die Grabungen auf dem 16 000 Quadratmeter- Areal „werden drei Jahre statt der geplanten zwei Jahre dauern.“ Dies erklärte gestern Grabungsleiter Dr. Jonas Beran bei einem Vortrag in der Akademie 2. Lebenshälfte in Bergholz-Rehbrücke.
Eigentlich sollten die Bodenerkundungen bis zum September 2008 andauern, es sollte „Sommers wie Winters“ gegraben werden. Bereits ab kommenden März hätte Dr. Beran zufolge auch der Straßenbereich durch die Archäologen ins Visier genommen werden sollen. Dies verzögere sich ebenso wie der Baubeginn für den neuen Landtag, der für 2009 „auf der gesamten Fläche nicht zu halten sein wird“. Der Grabungsleiter nannte die Möglichkeit, schon vor dem Ende der archäologischen Untersuchungen im Süden im schon erforschten Nordbereich mit dem Bau zu beginnen.
Nach Ende der Grabungen am Alten Markt werden ein Drittel des Potsdamer Mittelalters dokumentiert sein, so der Archäologe: „Das gibt es sonst nirgendswo in Ostdeutschland.“ Allerdings sei beim Bau des nach der Wende eingestellten Theaterneubaus am Alten Markt viel zerstört worden. Es gab laut Dr. Beran nur „bruchstückhafte Rettungsgrabungen“.
Auf teilweise Entrüstung stieß der Grabungsleiter bei den Vortragsgästen mit seiner Auskunft, dass ein Teil der freigelegten Funde dem Bau einer Tiefgarage zum Opfer fallen soll. „Außer, sie überlegen es sich noch anders“, so der Kommentar Dr. Berans zu den auftretenden Planungsänderungen. Erhalten und „unter Glas“ erhalten werden sollen ältere Schlossteile der Südburg. Dabei handelt es sich um Fundamente-Teile der Renaissanceburg, die um 1530 entstand, sowie um die im Boden erhaltenen Reste des Turmes einer älteren Turmburg. Der Rest der Grabungsfunde „die wir freilegen, werden sämtlich zerstört“, erklärte der Archäologe: „Wir gehen so tief, bis nichts mehr kommt“. Die Funde würden beim Bau des neuen Landtages ohnehin zerstört. Der Bodenkundler verteidigte dieses Vorgehen: Die mittelalterlichen Burgreste inklusive eines Weinkellers seien wesentlich besser zu bewahren als die Siedlungsspuren, die sich teils nur noch als Erdverfärbungen nachweisen lassen.
Die ältesten bisher gemachten Funde sind laut Dr. Beran zwei 12 000 Jahre alte Pfeilspitzen, die von eiszeitlichen Rentierjägern verschossen wurden, sowie 8000 Jahre alte Steinbeilklingen. Ausgemacht wurde ebenso ein Befestigungsgraben aus der „Trichterbecher-Kultur des 4. Jahrtausend vor Christus“. Diese ist weitläufig von einem Doppelpallisade, einer Art Pfahlzaun, umgeben. Eine ähnliche Anlage in Böhmen weise astronomische Ausrichtungen auf – ähnlich wie beim berühmten Sonnenobservatorium von Goseck (Sachsen-Anhalt). Ob es Bezüge zur Astronomie auch bei den Steinzeitanlagen am Alten Markt gibt, müsste erst noch erforscht werden.
Zu den weiteren Funden gehört Archäologe Beran zufolge ein Grab der Schnurkeramik-Kultur aus der Zeit 2200 vor Christus. Aus jüngerer Zeit fanden die Archäologen „jede Menge Bier-Zapfhähne“ sowie Ofenkacheln aus dem Renaissanceschloss mit Meißner Wappen. Restauriert werde derzeit „ein Schuh mit hohem Absatz“, der im Schlamm freigelegter Brunnen gefunden wurde.
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