Landeshauptstadt: Granaten im Schutt, Gift im Holz
An der Kaiser-Friedrich-Kirche in Golm hat gestern die Dachsanierung begonnen
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Golm – Böse Überraschungen gab es bei der Vorbereitung der Dachsanierung der Golmer Kaiser-Friedrich-Kirche. „Im Bauschutt auf dem Gewölbe versteckten sich zwei Panzergranaten aus dem zweiten Weltkrieg, eine davon mit scharfem Zünder“, berichtet Marcus Wewer, Vorsitzender des Kirchbauvereins. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst habe die Sprengkörper entschärft.
Über weitere Schwierigkeiten bei der Bauvorbereitung berichtet Architekt Bernd Redlich. Das Gebälk des Dachstuhls ist reichlich mit dem Holzschutzmittel Hylotox 59 getränkt. Wegen dessen Giftigkeit für den Menschen müssen die Zimmerleute unter erschwerten Bedingungen mit spezieller Schutzkleidung arbeiten. „Das schlägt sich natürlich in den Baukosten nieder“, sagt der Architekt. Einen weiteren Kostenfaktor verursacht der „Echte Hausschwamm“, der sich stärker als anfangs angenommen verbreitet habe.
Über eine viertel Million Euro kostet das Dach, dessen Instandsetzung das Land und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz fördern. Die Gemeinde und der Kirchbauverein tragen ebenfalls ihr Scherflein bei. Wewer, der seit zweieinhalb Jahren in Golm wohnt und schon das Vertrauen als Vorsitzender des Vereins besitzt, hält einen grün glasierten Dachziegel in der Hand. „Der ist von meiner Tochter“, erzählt er und zeigt auf die Inschrift „Sarah“ auf der Rückseite. So wie Sarah Wewer haben bereits 163 Spender einen roten oder grünen Ziegel erworben und mit ihrem Namen gekennzeichnet. „Dem Himmel ein Stück näher“, lautet der Spenden-Slogan. „Ich habe heute erst von der Aktion erfahren“, sagte Franz Friedrich von Preußen, der gestern zum Baustart mit dabei war: „Sie können aber zwei Ziegel notieren, für mich und meine Frau“, fügte er hinzu.
„Ihre Familie hat viel für die Golmer Kirche getan“, wendet sich Wewer an von Preußen. Die Kaiser-Friedrich-Kirche sei vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich III., und seiner Frau Victoria zur silbernen Hochzeit gestiftet worden.
Doris Lemmermeier vom Kirchbauverein erwähnt, dass aus Spenden bereits 25 000 Euro in den Bau geflossen seien. Die Dachziegelaktion habe schon über 5000 Euro eingebracht. Zum Erntedankfest am Sonntag, dem 3. Oktober, gebe es die nächste Ziegel-Signierstunde.
„Wenn das Dach gedeckt ist, können wir uns dem Innenausbau widmen“ blickt Wewer in die Zukunft. Der Einsatz des Kirchbauvereins lohne sich, denn in Golm gebe eine sehr lebendige evangelische Kirchengemeinde, in der auch katholische Gläubige mitwirken. Wewer erwähnt den englischen Gottesdienst und den guten Kontakt zum Wissenschaftspark und zu den dort Studierenden.
Ein weiteres Zukunftsprojekt des Kirchbauvereins ist die benachbarte Alte Kirche Golm, die bereits auf der Verkaufsliste der Kirche stand. Derzeit ist sie ungenutzt. Laut einer Legende musste der Kronprinz dort bei einer Hochzeit den Schirm aufspannen, weil es durchregnete. Das habe den letzten Anstoß für die Stiftung der Kaiser-Friedrich-Kirche gegeben. Günter Schenke
Günter Schenke
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