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Landeshauptstadt: Gratis-Nahverkehr und Katzensteuer

Diskussion zum Bürgerhaushalt mit Oberbürgermeister Jann Jakobs

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Innenstadt - Es ist ein Vorschlag, der es bislang noch jedes Jahr in den Bürgerhaushalt geschafft hat: der kostenlose oder fahrscheinfreie Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Auch bei der Bürgerversammlung mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Mittwochabend wurde das Thema heftig diskutiert. Rund 30 Potsdamer waren der Einladung in die Bahnhofspassagen gefolgt, wo Jakobs seinen Verantwortungsbereich vorstellte und den Teilnehmern Rede und Antwort stand.

Dabei hatte er es mit mehreren Verfechtern des Gratis-ÖPNV zu tun: Ein solches System hätte weitreichende Konsequenzen für Infrastruktur und Verkehrsströme, aber auch die Luftqualität in der Stadt, gab etwa ein älterer Mann zu bedenken. Eine Frau verwies auf das bestehende Ungleichgewicht zugunsten der Autofahrer, die Potsdams Straßen auch kostenlos nutzen könnten – sie regte die Diskussion über eine Innenstadt-Maut nach dem Vorbild Londons an. Ein jüngerer Mann sprach sich für freiwillige Fahrscheine aus: Jeder Fahrgast solle zahlen, was er möchte – im Internet gebe es vergleichbare Systeme. Diese Idee konterte Martin Grießner, der Chef des Potsdamer Verkehrsbetriebs (ViP), mit dem Einwurf: „Wir sind ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern, die jeden Monat ihr Gehalt haben wollen.“ Auch Jakobs zeigte sich skeptisch, räumte gleichzeitig aber ein, dass eine Stärkung des ÖPNV gegenüber dem Autoverkehr nötig sei.

Der ÖPNV sei für die Stadt ohnehin ein Zuschussgeschäft, erklärte er mit Verweis auf knapp 22 Millionen Euro an Zuschüssen, Fördermitteln und Quersubventionen, die in Potsdam jährlich in die ViP fließen. Wegfallende Fahrschein-Einnahmen müsste man zusätzlich übernehmen. Jakobs verwies auf das Beispiel Tübingen, wo momentan ein Modell diskutiert werde, nach dem der kostenlose Nahverkehr durch eine ÖPNV-Abgabe von allen Einwohnern getragen werde. Dann würden allerdings auch Nicht-Nutzer zahlen müssen, betonte er. Ob das überhaupt zulässig sei und angenommen werde, sei offen: „Ich bin auf Tübingen gespannt.“

Klare Worte fand Jakobs für den Vorschlag einer Frau, das Hotel Mercure – wie von Studenten und den Linken gefordert – zum Studentenwohnheim zu machen und für die geplante Kunsthalle von Mäzen Hasso Plattner stattdessen einen Standort „irgendwo anders“, beispielsweise in Bornstedt, zu finden. „Eine Kunsthalle dieser Bedeutung stelle ich nicht nach Golm oder Bornstedt oder Marquardt, die gehört mitten in die Stadt, das hat touristische Wirkung, das ist ein kulturelles Highlight!“, sagte Jakobs. Er verwies auf die laufende Prüfung von vier möglichen Standorten am Alten Rathaus, in der Schiffbauergasse und in der Speicherstadt. Selbst wenn das Mercure nicht als Sieger hervorgeht, sei dort ein Studentenwohnheim nicht zu realisieren, stellte er klar: „Wir als Landeshauptstadt Potsdam werden auf absehbare Zeit kein Geld haben, dieses Haus zu kaufen.“

Die Vorschlagsphase im diesjährigen Bürgerhaushalt endet am 3. Juni, ab dem 20. August beginnt die Abstimmung, am 7. November soll die Liste der Top-20- Bürgerwünsche den Stadtverordneten übergeben werden. Bis Donnerstagnachmittag gab es 278 Vorschläge, jeder dritte davon betraf Ideen zur Sanierung der Stadtkasse: Vorgeschlagen werden etwa eine Katzensteuer, höhere Parkgebühren, teurere Schwimmbad- und Theaterkarten, ein Parkeintritt oder die Abschaltung der Ampeln in der Nacht. jaha

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