Landeshauptstadt: Gratulation für „größten Kommunisten“
Berüchtigter Ex-DDR-Richter erhielt Glückwunschschreiben von Jann Jakobs zum 100. Geburtstag
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Die Potsdamer Stadtverwaltung hat einem früheren DDR-Richter, der für mehrere Todesurteile und politische Haftstrafen verantwortlich ist, offiziell zu seinem 100. Geburtstag gratuliert. Nach PNN-Informationen wurde Hermann Wohlgethan gestern Vormittag eine von Oberbürgermeister Jann Jakobs unterschriebene Glückwunschkarte von Mitarbeitern der Stadtverwaltung übergeben.
Wohlgethan erhielt das Schreiben der Stadt in seinem Wohnsitz, dem Seniorenheim „Fontiva“ in der Leiblstraße. Gleichzeitig wurde sein Geburtstag im aktuellen Amtsblatt angekündigt. Der Termin war kein offizieller Pressetermin der Stadt, die Einladung an Journalisten kam vom Seniorenheim.
Während einer kleinen Feier im Heim mit Sekt und Büfett plauderte der 100- Jährige gestern Vormittag im Kreise von Verwandten und Bekannten aus seinem Leben. Er sei „der größte Kommunist im Heim“, berichtete er. Bereits als 15-Jähriger sei er der „Kommunistischen Jugend“ beigetreten, 1928 der KPD. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten sei er 1933 als „aktiver Revolutionär“ verraten worden und musste rund ein Jahr ins Konzentrationslager. Nach seiner Entlassung ging er in den kommunistischen Untergrund. 1946 ging Wohlgethan nach Berlin, wurde Mitglied der SED und ließ sich zum Juristen ausbilden. Drei Jahre später wurde er Richter, später Oberrichter am Bezirksgericht in Potsdam.
In dieser Funktion erwarb er sich bei seinen Opfern den Beinamen „roter Freisler“, weil er im Strafmaß nur selten unter dem Antrag des Staatsanwalts geblieben sein soll und die Angeklagten laut Opferverbänden mit beißendem Zynismus bedachte. Der damals in Werder lebende Roland Rothe etwa soll von Wohlgethan zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden sein, weil er sich weigerte, Bekannte wegen des Verteilens von DDR-kritischen Flugblättern zu denunzieren. Ebenso verurteilte er Karl-Heinz Pahling, einen Streikführer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953, zu zehn Jahren Zuchthaus.
Gestern erinnerte sich Wohlgethan gegenüber einem PNN-Mitarbeiter auch an „das letzte Todesurteil im Bezirk Brandenburg“, das er selbst noch gesprochen habe. Gegen Wohlgethan soll die Neuruppiner Staatsanwaltschaft nach der Wende wegen über 160 Fällen von Rechtsbeugung ermittelt haben – allerdings kam es nie zu einem Prozess, weil Wohlgethan mit über 90 Jahren als nicht mehr verhandlungsfähig eingestuft wurde.
Wie Wolfgang Hadlich, Sprecher von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), den PNN gestern sagte, habe es Ende vergangener Woche Hinweise auf die Vergangenheit des früheren DDR-Richters gegeben, diese seien „nicht konkret“ gewesen und man sei ihnen – „auch aus Zeitgründen“ – nicht weiter nachgegangen. Allerdings habe ein Mitarbeiter der Verwaltung das Seniorenheim besucht, um Erkundigungen über das Auftreten von Wohlgethan einzuholen. Der Mitarbeiter habe jedoch nichts Bedenkliches übermittelt.
In der Verwaltungsspitze sei dennoch beschlossen worden, von einer offiziellen Gratulation Abstand zu nehmen. Der Glückwunsch an Hermann Wohlgethan sei daher lediglich aus „Achtung vor dem Alter und nicht vor der Person“ übermittelt worden. Dass der Jubilar während der gestrigen Feier derart unkritisch über seine eigene Vergangenheit berichtet habe, sei eine „üble Sache“.
Hadlich kündigte zugleich an, dass der Vorfall „zu einem intensiven Nachdenken“ darüber führen werde, bei solchen Situationen „generell ein anderes Verfahren zu wählen“. Man müsse ernsthaft überlegen, in so einem Fall auf Glückwünsche zu verzichten. ERB/HK/FvH
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