Landeshauptstadt: Gratwanderung am finanziellen Abgrund
Ein Gespräch mit Michael Klemm von Comédie Soleil über die Arbeit als Freies Theater in Potsdam
Stand:
Am Samstag findet die Premiere von „Paganini oh Paganini“ in der Manege statt. Eine Premiere, obwohl Comédie Soleil das Stück nicht zum ersten Mal spielt?
Wir haben „Paganini oh Paganini“ in der Manege schon als Dinnertheater aufgeführt, da war aber nur ein kleiner Teil zu sehen. Auch die Premiere am Samstag entspricht nicht der ganzen Fassung dieses personenreichen Stücks, denn ich kann leider nicht alles zeigen, weil unsere Mittel begrenzt sind. Aber es ist die Schauspielfassung.
Sie werben mit dem Spruch „Für ein menschliches Theater“. Was wollen Sie damit sagen?
„Menschlich“ heißt für mich lebendig nachvollziehbar. Ich möchte mich, übrigens auch als Zuschauer, von nachvollziehbaren menschlichen Geschehnissen auf der Bühne faszinieren lassen. Und nicht immer wieder rülpsende und furzende, von mir aus auch seltsam brüllende oder komisch gestikulierende kranke Gestalten angucken müssen, wie sie das Regietheater auf die Bühne bringt.
Ist das Restaurant Manege als Spielstätte nach dem Standort in der Feuerbachstraße, die Sie im Mai 2006 schließen mussten, nun das neue Zuhause von Comédie Soleil?
Wir haben jetzt mit den Betreibern der Manege verabredet, bis zum Frühjahr erst einmal zusammen zu arbeiten. Wenn sich das alles gut entwickelt, und zur Zeit sieht es danach aus, ist es für beide Seiten interessant, es weiter zu führen.
Auf der einen Seite reines Theater, auf der anderen die Verbindung von Theater und Dinner?
Das Dinnertheater ist immer eine Option. Das reine Theater ist für mich natürlich der wichtigere Teil. Wir werden sehen, wie sich beides miteinander verbinden lässt. Nicht jeder will ein Stück über Paganini sehen und dabei eine Suppe löffeln. Aber wenn die Nachfrage nach dem Dinnertheater besteht, werden wir das weiterentwickeln. Beide Seiten müssen auch wirtschaftlich denken.
Wie sieht die konkrete Planung für die Zeit nach Paganini aus?
Unser nächstes Stück ist Figaros Hochzeit, nicht die Oper von Mozart, sondern das Theaterstück von Beaumarchais. Da sind wir schon in der Vorbereitung. Aber noch sind unsere Kostüme nicht finanziert. Das ist schrecklich für unseren Kostümbildner und für uns. Aber so ist das in einem Freien Theater.
Das heißt als Freies Theater bekommt die Comédie Soleil keine öffentliche Förderung?
Nein. Wir haben zwar Gelder für einzelne Projekte beantragt. Das sind insgesamt vier Anträge. Die werden natürlich nicht alle genehmigt. Das kann ich aus Erfahrung jetzt schon sagen.
Wie finanzieren Sie sich dann überhaupt?
Wir versuchen das über Privatleute, Sponsoren, über praktische Hilfe. Da gibt es sehr viel rührende Menschen hier.
Also bedeutet die Arbeit als Freies Theater Comédie Soleil immer auch eine Gratwanderung am finanziellen Abgrund?
Auf den Punkt gebracht.
Wo liegen neben der ständigen Finanzknappheit weitere Schwierigkeiten für ein Freies Theater?
Vor allem in den Strukturen. Durch die ganzen Hartz-Gesetze und die ganzen Arbeitsmaßnahmen sind die Schauspieler heute in einem unglaublich unsicheren Zustand. Es kann ja sein, dass morgen jemand vom Arbeitsamt anruft und der Schauspieler einen Ein-Euro-Job vermittelt bekommt. Das ist für unsere Planung sehr schwierig, weil der dann bei der Probe ausfällt.
Arbeitslosigkeit als Grundlage für die Arbeit eines Freien Theaters?
Traurig, aber leider wahr.
Welche Vorteile hat dann ein Freies Theater?
Da ist diese Freiheit. Welcher Intendant würde mir heute in Deutschland die Möglichkeit geben, ein Stück über Paganini zu machen? Und die Möglichkeit mit den Schauspielern zu arbeiten, die ich wirklich interessant finde.
Es gibt jetzt auch einen Förderverein für Comédie Soleil.
Nach unserer letzten Vorstellung in der Feuerbachstraße kam eine Zuschauerin zu mir und hat mich gefragt, ob sie sich für den Erhalt des Theaters einsetzen dürfe. Uns war klar, dass Comédie Soleil in Zukunft nur Erfolg haben wird, wenn damit eine Organisation verbunden ist. Daraufhin wurde der Förderverein gegründet und die sind jetzt sehr aktiv, obwohl sie feststellen, wie schwer das ist.
Das heißt?
Das leidige Thema Finanzierung.
Neben Manege gibt es jetzt auch die Planungen für ein Theater zusammen mit Franz Wolfgang Lasch, besser bekannt als Clown Locci, in Babelsberg.
Wir wollen den Raum im Weberpark nutzen, in dem Franz Wolfgang Lasch seine Clown-Ausstellung zeigt. Der bietet zwar nicht viel Platz, aber wir wollen uns dort dem Kammerspiel widmen und Franz Wolfgang Lasch dem Kindertheater. In Babelsberg kann ich mir auch Uraufführungen vorstellen. Es gibt viele junge Autoren, die Stücke schreiben für wenige Personen. Auch weil die Gelder für kostspielige Aufführungen fehlen. Aber auch das muss finanziert werden.
In welcher Form?
Spielen und proben, das sind die geringsten Kosten. Wir müssen noch die Kaution aufbringen, dann muss Licht- und Tontechnik installiert werden. Da gibt es von keiner Seite irgendwelche Signale, dass man uns unterstützen wird. Mit uns geht man in dieser Hinsicht sehr robust um.
Wann ist mit der ersten Aufführung in Babelsberg zu rechnen?
Wir haben da ein bisschen mutig den März angedacht. Aber das sehe ich mit gewisser Vorsicht. Denn noch wissen wir nicht ob und woher irgendwelche Gelder kommen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Freien Theaters in Potsdam?
Das wird schwierig. Ich habe die trostlosen Kultursitzungen miterlebt. Da muss eine entschiedene Veränderung in der Denkweise her. Man muss in der Stadt einfach erkennen, dass die Freie Szene das ist, was an kreativer Energie kommt, wo die Ideen entstehen. Wenn das weiter so stiefmütterlich behandelt wird, in so einer präsenten Stadt wie Potsdam, dann sehe ich schwarz. Wenn die Stadt sich da öffnet und sich fragt, was kann trotz fehlender Gelder getan werden, dann kann das weitergehen. Aber so wie bisher, ist das aussichtslos.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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