Homepage: Grenzen überwinden
Ria De Bleser hat das Amt als Uni-Vizepräsidentin vorzeitig abgegeben, weil sie 2013 in den Ruhestand geht
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Englisch, Französisch, Deutsch, Niederländisch, Italienisch oder Chinesisch – Ria De Bleser verständigt sich in vielen Sprachen. Grenzen zu überwinden ist eines ihrer größten Anliegen. „Eine gute Universität ist ohne Internationalisierung heutzutage undenkbar“, sagt die gebürtige Belgierin, die Anfang 2011 das neu geschaffene Amt der Vizepräsidentin für internationale Angelegenheiten und Strategieentwicklung an der Universität Potsdam angetreten hatte. Nun ist die quirlige 64-Jährige aus Altersgründen ein Jahr vor Ende der Amtszeit aus dem Vizeamt ausgeschieden – und bedauert das sehr. „Ich hätte gern noch vier Jahre weitergemacht“, sagt De Bleser. So vieles habe sie angeschoben, das sie am liebsten selbst noch zu Ende gebracht hätte.
Da ist etwa die Beteiligung an dem Audit „Internationalisierung der Hochschulen“ der Hochschulrektorenkonferenz, für das die Universität Potsdam im Herbst 2011 den Zuschlag erhielt. Ziel der Untersuchung ist die weltweite Vernetzung der Universität und die Intensivierung des Austausches mit wissenschaftlichen Einrichtungen im Ausland. Experten der Hochschulrektorenkonferenz analysieren dafür Stärken und Schwächen der Hochschule im Hinblick auf internationale Anteile in Forschung und Lehre und geben Empfehlungen, die in den kommenden zwei Jahren umgesetzt werden müssen.
Auch das internationale Erasmus-Mundus-Doktorandenprogramm konnte Ria De Bleser kurz nach Amtsantritt einwerben. Seitdem werden gleich mehrere Studiengänge in Englisch, Russisch und Französisch angeboten und Doppelabschlüsse in verschiedenen Ländern ermöglicht. De Bleser hat auch ein Zertifikat zum Erwerb interkultureller Kompetenzen vorbereitet, das im Herbst 2013 starten soll. „Es soll vor allem das Verständnis für Unterschiede wecken“, erklärt sie. Die Teilnehmer befassen sich mit Sprachen, Gesten und Höflichkeitsformen unterschiedlicher Kulturen.
Während früher unter Internationalisierung der Universitäten vor allem die Mobilität der Studierenden verstanden wurde, fallen heute auch Forschung, Verwaltung und der Studienalltag darunter. Bislang verbringen nur zehn Prozent der Studierenden der Uni Potsdam einen Teil ihres Studiums im Ausland. Viel zu wenig, findet Ria De Bleser. Finanzielle und familiäre Gründe seien oft ein Hindernis, ebenso die zeitlich straffen Bachelorstudiengänge. Umso wichtiger sei es, Internationalisierung auch an der hiesigen Universität zu verwirklichen.
Als Ria De Bleser sich im Jahre 1966 als junge Abiturientin für ein Studium entschied, schwankte sie zunächst zwischen Sprachen oder Medizin. „Damals fragte ich einen Professor, was ich mit Chinesisch anfangen könnte“, erinnert sich die Wissenschaftlerin. „Nix“, habe dessen Antwort gelautet. Heute hätte sie sicher eine andere Antwort erhalten. Ria De Bleser entschied sich damals für Germanistik und Anglistik mit Nebenfach Orientalische Philologie. Vieles habe sie nach Lust und Laune gemacht und es nie bereut. Die Linguistin schloss einen vierjährigen Studienaufenthalt in Harvard und Boston mit dem Master of Business Administration ab. „Das war meine Lebensversicherung für den Fall, dass ich von der Linguistik nicht leben kann,“ so De Bleser. „Aber die habe ich nie gebraucht.“
Ihr Interesse für die Zusammenhänge zwischen Sprache und Gehirn wurde durch die Beschäftigung mit dem Sprachwissenschaftler Noam Chomsky geweckt. Nach ihrer Promotion an der Universität Löwen forschte sie in einer interdisziplinären Gruppe an der Medizinischen Fakultät der RTWH Aachen und habilitierte sich in Neurolinguistik. Zwei Jahre später folgte die Habilitation an der Philologischen Fakultät der Universität Löwen. Als 1994 der Ruf der Universität Potsdam kam, zögerte De Bleser nicht lange: „Mein Fach war mein Hobby.“ In Potsdam baute sie dann den ersten Lehrstuhl für Patholinguistik auf.
Diesen Lehrstuhl hat sie noch bis März 2013 inne und nutzt die Zeit für die Übergabe. „Es ist doch schön, wenn die Enkel das Silberbesteck der Oma übernehmen wollen“, sagt sie lachend. Was dann kommt, ist noch offen. „Ich bin selbst gespannt und lasse mich vom Leben überraschen“, sagt De Bleser. Reisen möchte sie, vielleicht wieder Golf spielen, Freunde und Familie besuchen. Deshalb wird sie auch zurück nach Belgien ziehen. „Löwen ist eine schöne Stadt. Da liegt Europa vor der Tür.“ Die Vizepräsidentin der Deutsch-Türkischen Universität hat zudem eine Gastprofessour an der Dalian University of Technology in China übernommen und arbeitet noch in diversen Ausschüssen der Uni Potsdam mit.
Spuren wird Ria de Bleser an der Potsdamer Universität auf jeden Fall hinterlassen. Eine ist das Banner im Flur des Präsidialamtes am Neuen Palais. Die etwa sechs Meter breite Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt Studierende vieler Nationen und Fachrichtungen in Lebensgröße. Gäste und Studierende bleiben gern davor stehen und kommen miteinander ins Gespräch. „Das war eine meiner ersten Amtshandlungen gewesen“, erinnert sich die Wissenschaftlerin.
Maren Herbst
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