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Landeshauptstadt: „Greta wäre krachen gegangen“ Der zähe Kampf – nicht nur gegen Lernschwäche

Der Sommerurlaub fällt für die Freihorsts dieses Jahr aus. Und in ihre Lebensversicherung zahlen sie derzeit auch nicht ein.

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Der Sommerurlaub fällt für die Freihorsts dieses Jahr aus. Und in ihre Lebensversicherung zahlen sie derzeit auch nicht ein. 250 Euro berappen die Krankenschwester Kathrin Freihorst und ihr Mann Ronald, ein Sachberater, jeden Monat, damit Tochter Greta eine Lerntherapie bekommt. Greta ist neun Jahre alt und besucht die 2. Klasse der Goethe-Schule. Sie hat eine diagnostizierte Rechenschwäche, auch Dyskalkulie genannt.

Letztes Jahr im Mai kam der Anruf von der Schule: „Greta bleibt sitzen“, hieß es. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, erzählt Ronald Freihorst. „Für Greta brach eine Welt zusammen.“ Niemandem war zuvor die Rechenschwäche aufgefallen, das stille Mädchen hatte sich im ersten Schuljahr einfach mit Auswendiglernen durchgemogelt. Ihr Vater beantragte den sogenannten Nachhilfsausgleich. Greta musste einen Intelligenztest machen, die Benotung in Mathematik wurde ausgesetzt und seit diesem Schuljahr bekommt sie zusammen mit anderen fünf Kindern Förderunterricht. Doch brauchte Greta nach Ansicht ihres Vaters einen Lerntherapeuten mit einer ganz anderen Methodik statt Gruppenuntericht. Sie begann parallel mit einer Lerntherapie. „Mathe ist seitdem kein dunkelrotes Tuch mehr“, sagt ihr Vater. Und: „Ohne die Therapie wäre sie krachen gegangen.“ Wohl nicht nur in Mathe.

Das eigentliche Drama aber begann mit dem Gang zum Sozialamt, um sich die Kosten für die Therapie erstatten zu lassen. Dort mussten sie etwa einen Bescheid der Krankenkasse einreichen, dass diese nicht die Kosten übernimmt. Die Amtsärztin attestierte dem Kind eine sogenannte Teilleistungsstörung; eine Teilhabestörung am sozialen Leben sahen die Sozialamtsmitarbeiter aber nicht. Dazu hatten sie die Achtjährige alleine befragt. In den Ablehnungsbescheid schrieben sie: keine Schulphobie, kein Rückzug aus jeglichem sozialen Kontakt, keine seelische Behinderung. „Muss es denn erst so weit kommen?“, fragt Ronald Freihorst. Von drohender seelischer Behinderung, die das auf Prävention bedachte Gesetz ebenfalls als Maßgabe für eine Bewilligung vorgibt, ist gar nicht erst die Rede. Er legte Widerspruch ein. Ohne Erfolg.

Die Beratung, die Potsdam für Eltern von Kindern mit Lernschwäche seit März anbietet, kommt für die Freihorsts zu spät. „Es wäre eine Hilfe gewesen“, sagt Ronald Freihorst. Aber auch: „Wenn das so weitergeht mit den Ablehnungen, dann können sie sich diese Anlaufstelle sparen.“ gw

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