Landeshauptstadt: „Gruseliges Ensemble“: Stiftskapelle als Wohnung
In der kommenden Woche wird die denkmalrechtliche Genehmigung für den Ausbau erteilt
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Nauener Vorstadt - Der Ausbau auch der Kapelle des Augustastiftes zur Eigentumswohnung ist offensichtlich nicht mehr abzuwenden. Nach PNN-Recherchen wird die Untere Denkmalschutzbehörde dafür in der nächsten Woche die denkmalrechtliche Genehmigung erteilen. Damit negiert der Bauherr, die Prinz von Preussen Grundbesitz AG, endgültig den Vorschlag, die Kapelle für eine Ausstellung über die Geschichte des Stiftes und für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.
In der von Kaiserin Augusta begründeten Einrichtung wurden von 1902 bis 1945 „Mädchen in Uniform“, Adels- und Bürgerstöchter, unterrichtet und erzogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es vom sowjetischen Geheimdienst MGB (dann KGB) besetzt. In der Kapelle fanden die Gerichtsverhandlungen statt, in denen das Militärtribunal aus meist nichtigen Gründen deutsche, aber auch russische Häftlinge zum Tode oder zu langjähriger Lagerhaft in Sibirien verurteilte. Der Richtertisch war im Altarraum aufgestellt. Die Denkmalschutzbehörde sieht keine rechtliche Handhabe, die Nutzung der Kapelle als Wohnung zu untersagen, wenn beim Ausbau wie vorgegeben denkmalwerte Teile wie die Raumstruktur, die Empore, Reste von Wandgestaltungen und auch das vom KGB angebrachte Leninmedaillon erhalten bleiben. Für die sich aus der Geschichte ergebenden „politischen und moralischen Fragen“ sei sie nicht zuständig.
Der Eigentümer kann also frei entscheiden, ob er den Betsaal als Wohnhalle nutzt, im Altarraum frühstückt, seine Betten auf der Empore aufstellt und die Sakristei zum Bad ausbaut. Er muss sich auch nicht daran stören, dass der Architekt Thomas Sander, der sich mit seinem Verein ArchitraV für die Museumsnutzung der Kapelle eingesetzt hat, eine solche Wohnung ein „gruseliges Ensemble“ nennt.
Stadtkonservator Andreas Kalesse weist zudem daraufhin, dass das Stift zwar insgesamt Denkmalschutz genießt, nicht aber die Kapelle als Einzeldenkmal. Diese Möglichkeit habe seit der Rückgabe durch die sowjetischen Besatzer 1994 durchaus bestanden, sei aber von den interessierten Vereinen nicht mit Nachdruck betrieben worden. Damit sei die Chance vertan worden, den Vorschlag für einen Erinnerungsort durchzusetzen.
Dem widersprach der Förderverein Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Leistikowstraße 1 entschieden. Sein stellvertretender Vorsitzender Dr. Richard Buchner verwies darauf, dass der Verein auf den engen Zusammenhang zwischen dem Gefängnis, in dem die Untersuchungshäftlinge unter unmenschlichen Bedingungen eingekerkert waren, und der Kapelle, in der die Urteile gesprochen wurden, mehrfach hingewiesen habe, so erst vor kurzem in einem Beitrag der PNN zu diesem Thema.
Für die Opfervereinigung „Memorial“ erklärte die Historikerin Gisela Kurze, sie sei über die Verwendung der Kapelle als Wohnung „entsetzt“. Memorial habe als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Stadt Potsdam und ihre Denkmalschutzbehörde in dieser Frage selbst aktiv werden. Die Opfervereinigung habe mehrfach den Vorschlag unterstützt, die Stiftskapelle als Erinnerungsort einzurichten. Sie habe jedoch mit dem Bauherren keinen Kontakt herstellen können.
Die Prinz von Preussen Grundbesitz AG, die den Gebäudekomplex Am Neuen Garten 29 bis 32 gegenwärtig zu einer Wohnanlage mit 44 Eigentumswohnungen ausbaut, hatte auf den Vorschlag stets ausweichend reagiert. Eine PNN-Anfrage beantwortete die mit der Öffentlichkeitsarbeit beauftragte Medienagentur mit dem Hinweis, über die Nutzung der Kapelle sei „Stillschweigen vereinbart“ worden. Eine erneute Bitte um Auskunft zur Zukunft der Kapelle blieb ohne Antwort. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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