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Aus dem GERICHTSSAAL: Günstige Gelegenheit?

Jugendliche vergaß 75 Euro im Geldautomaten/ Lehrerin soll sie wenig später gestohlen haben

Stand:

Aus dem GERICHTSSAALJugendliche vergaß 75 Euro im Geldautomaten/ Lehrerin soll sie wenig später gestohlen haben Katharina* wollte am 17. Juni 2002 mit ihrer Freundin nach Berlin fahren, hob noch schnell 75 Euro am Geldautomaten der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in den Bahnhofspassagen ab. In der S-Bahn stellte sie voller Schreck fest, das Geld steckte nicht wie vermutet im Portemonnaie. „Ich konnte es nur im Automaten vergessen haben“, so die inzwischen 19-Jährige im Zeugenstand. „Das ist mir nämlich schon einmal passiert. Aber damals hat mich meine Freundin darauf aufmerksam gemacht.“ Die Jugendlichen stiegen in Babelsberg aus, nahmen den nächsten Zug retour. Katharinas Hoffnung, die Scheine seien in der Sparkassenfiliale abgegeben worden, zerplatzte wie eine Seifenblase. Kurz nach dem Mädchen wollte Marita M.* 200 Euro am selben Automaten abheben. Die Berliner Pädagogin war damals mit ihrer Klasse zu Besuch in Potsdam. So fiel der Verdacht auf die Frau, sich das Geld von Katharina eingesteckt zu haben. Gestern musste sich die Lehrerin wegen Diebstahls vor dem Amtsgericht verantworten. „Ich möchte meinen Anwalt für mich sprechen lassen“, erklärte Marita M. (52) zum Prozessauftakt. Der Verteidiger bemühte sich nach Kräften, seine Mandantin ins beste Licht zu rücken, bestritt deren Täterschaft, ja sogar ihre Abbildung auf den Fotos der Überwachungskamera. Die Richterin ließ sich allerdings nicht irritieren. „Das ist ganz eindeutig die Angeklagte. Dieser Umstand besagt ja noch nicht, dass sie auch die Diebin ist.“ Genau 30 Sekunden verbleibe vergessenes Geld im Automaten. Danach werde es automatisch eingezogen. Dies werde auch protokolliert, berichtete eine als Zeugin geladene Sparkassenangestellte. Solange das Geld noch im Schlitz stecke, könne der nachfolgende Kunde seine Karte nicht einführen. Im Fall von Katharinas Scheinen habe der Automat eine Einziehung allerdings nicht vermerkt. Das Videoband der Überwachungskamera, das den Personenverkehr zur fraglichen Zeit lückenlos dokumentierte, ist inzwischen längst überspielt worden. Die Geschäftsstelle der Sparkasse stellte den Ermittlungsorganen eine Diskette mit einem Dutzend daraus resultierende Bilder zur Verfügung. Auf ihnen ist Katharina samt Freundin beim Geldabheben zu sehen, dann – zwei Minuten später – die Lehrerin. Doch genau auf diese zwei Minuten kommt es an. „Diese Bilder nützen uns eigentlich nicht viel“, resümierte die Vorsitzende. „Aus ihnen ist nicht ersichtlich, ob zwischen der Geschädigten und der Angeklagten vielleicht ein Dritter am Automaten war und die Scheine schnell herausgezogen hat.“ „Es spricht zwar viel dafür, dass Marita M. das Geld genommen hat, aber wir können ihr das nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit beweisen“, konstatierte die Staatsanwältin. Deshalb sei sie freizusprechen. In diesem Fall ging der Verteidiger mit der Vertreterin der Anklagebehörde konform. Auch die Richterin sah das nicht anders. „Es bleibt die Lücke von zwei Minuten. In dieser Zeit kann Frau M. das Geld genommen haben oder auch nicht.“ Freispruch! (*Namen geändert) hoga

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