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Landeshauptstadt: „Gut, dass es Menschen wie ihn gibt“

Als Sprengmeister hat Manuel Kunzendorf Potsdam sicherer gemacht – jetzt wurde er im Rathaus geehrt

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Vermutlich ist es das erste Mal, dass Manuel Kunzendorf im Potsdamer Rathaus für so ungetrübt entspannte Stimmung sorgt. Wenn er früher in den Raum von Marina Kluge vom Fachbereich Ordnung und Sicherheit kam, waren immer alle ein bisschen angespannt, denn es war klar, dass das böse Wort mit B fallen würde. Die Frage lautete dann bloß: Wie groß, wo liegt sie und was müssen wir tun? Dann nämlich hatten der langjährige Sprengmeister und sein Team eine neue Weltkriegsbombe in Potsdam entdeckt.

Für seine Arbeit will ihm die Stadt jetzt danken, Freunde, Verwandte und Rathausmitarbeiter halten schon die Sektgläser in der Hand. Nur Manuel Kunzendorf selbst scheint sich nicht ganz wohlzufühlen, hier im blauen Salon des Stadthauses. Er steht ein wenig abseits, die Schultern hochgezogen, und guckt zur Decke. Sein Handy hat er noch draußen im Treppenaufgang ausgeschaltet – vorsorglich. Es soll nicht klingeln, wenn er sich gleich in das Goldene Buch der Stadt Potsdam einträgt. Als es so weit ist, müssen auch die Fotografen ein bisschen betteln, bis er ein schiefes Lächeln hervorbringt.

Dabei kennen viele Potsdamer den breitschultrigen Mann mit dem rotblonden Bürstenhaarschnitt vermutlich genau so von Zeitungsfotos: ernst und gelassen. 20 Jahre lang hat Manuel Kunzendorf Sprengsätze aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft oder kontrolliert gesprengt. 580 Blindgänger waren es insgesamt, 122 alleine in Potsdam. Die Mehrzahl von ihnen wurde bei dem verheerenden Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 abgeworfen. Kunzendorf war es auch, der 2006 die systematische Bombensuche in der Landeshauptstadt initiierte.

Aber dann zerfetzte eine Explosion zwei Finger seiner linken Hand, nicht bei einer Entschärfung, sondern bei einem Unfall in einem Munitionsbunker in Priort bei Wustermark. Das war im Juni 2011. Seitdem ist der 54-Jährige erwerbsgemindert, wie er selbst sagt. „Der Unfall hat natürlich alles verändert, ich bin zu Hause, bekomme Rente“, erzählt er.

Ängstlich sei er seitdem nicht geworden, aber vielleicht noch ein bisschen sensibilisierter für Gefahrensituationen. Und klar, er verfolgt die Arbeit seines Nachfolgers Mike Schwitzke genau. Einmischen, gute Ratschläge geben, das will er aber nicht. „Der neue Sprengmeister hat seine eigenen Entscheidungen zu treffen“, sagt Kunzendorf.

Dass er das kann, hat Schwitzke erst in der vergangenen Woche bewiesen, als er die 146. Weltkriegsbombe auf Potsdamer Boden im Wildpark unschädlich machte. Kunzendorf schätzt, dass etwa noch einmal so viele Sprengsätze auf dem Stadtgebiet liegen – genau will er sich da nicht festlegen.

Aber die Uhr tickt, der Zustand der noch im Boden schlummernden Bomben werde mit der Zeit immer maroder – und damit gefährlicher. Deshalb müssen sie gefunden werden, bevor eine von ihnen von selbst detoniere, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs, dreht es aber ins Positive: Dank Kunzendorf sei die Zahl der Sprengsätze und damit die Möglichkeit einer unkontrollierten Detonation sehr deutlich reduziert worden. „Ich bin froh, dass es Menschen wie ihn gibt und Familien wie seine, die das Risiko mittragen.“ Einen Orden habe die Stadt nicht zu verleihen, der Eintrag in das Goldene Buch sei die höchste Ehre, die man zu bieten habe. Die Olympiasieger und Staatspräsidenten, die sich vor Kunzendorf dort eingetragen haben, seien aber ein angemessener Rahmen für die Unterschrift des Sprengmeisters, findet Jakobs.

Da ist dann auch Kunzendorf sichtlich bewegt: „Ich bin richtig weggerissen“, sagt er und grinst. Mindestens genau so stolz ist seine Frau, Regina Kunzendorf. Die Arbeit als Sprengmeister sei für ihren Mann Beruf und Berufung zugleich gewesen, der Unfall deshalb ein schwerer Einschnitt. „Aber er hat auch jetzt als Rentner genug zu tun, er geht so gerne zur Jagd.“ Erleichtert, dass ihr Mann seinen riskanten Job aufgeben musste, ist Regine Kunzendorf nicht. „Ich hatte nicht mein Leben lang Angst, ich bin ja sozusagen mit der Gefahr groß geworden“, sagt sie. Die beiden sind seit 1983 zusammen, seit 1981 war Kunzendorf Mitglied beim Munitionsbergungsdienst der DDR – zunächst als Taucher und Brigadeleiter, später als Hilfstruppführer. „Damals lief das aber alles über Polizeigewalt, eine Zusammenarbeit mit der Stadt, so wie heute, gab es nicht“, sagt er.

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