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Aus dem GERICHTSSAAL: Gutachten: Todesfahrer der Maulbeerallee nicht im Vollrausch

Erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit allerdings nicht auszuschließen / Plädoyers am 28. November

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Aus dem GERICHTSSAALErheblich verminderte Steuerungsfähigkeit allerdings nicht auszuschließen / Plädoyers am 28. November Schon den dritten Tag sitzen die Eltern von Helen A. dem Mann im Landgericht gegenüber, der ihr einziges Kind auf dem Gewissen hat. Die 20-Jährige wurde in der Nacht des 26.Februar 2005 in der Maulbeerallee auf ihrem Fahrrad von dem betrunkenen Serienstraftäter Reno G. (26) – er war mit einem kurz zuvor gestohlenen Opel unterwegs – mit hoher Geschwindigkeit von hinten erfasst und durch die Luft geschleudert (PNN berichteten). Wie Dr. Petra Bach (47) vom Brandenburgischen Institut für Rechtsmedizin gestern ausführte, starb Helen A. sechs Tage nach dem schrecklichen Unfall an ihren schweren Kopfverletzungen. Selbst wenn sie überlebt hätte, wäre sie nie wieder das Mädchen geworden, als das Eltern, Großeltern, Freunde und Kommilitonen die Studentin der Religionswissenschaften kannten. Der Unfallfahrer Reno G. hatte zum Zeitpunkt der Kollision mit der Radfahrerin eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,18, maximal 2,44 Promille, errechnete die Gutachterin. Somit müsse eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit in Betracht gezogen werden. Eine Tat im Vollrausch sei bei dem Alkoholgewöhnten allerdings auszuschließen. Er habe den Opel Kadett Am Alten Rad zielgerichtet aufgebrochen, kurzgeschlossen und in Gang gesetzt. Seiner damals mit im Auto sitzenden Freundin suggerierte er, sie solle – falls sie von der Polizei geschnappt werden – erzählen, er hätte sie als Geisel genommen. Dass der Angeklagte auf Warnungen seiner Freundin, die ihn auf die Rücklichter der Fahrräder von Helen A. und einer Bekannten aufmerksam machte, nicht reagierte, dass er ein vor den Zweirädern mit Warnblinkanlage und Beleuchtung stehendes Securitas-Fahrzeug offensichtlich nicht sah, auf dieses auffuhr, begründete die Gutachterin mit der hohen Blutalkoholkonzentration. „Bei über zwei Promille verzögert sich die Reaktionsfähigkeit um das Doppelte, wenn nicht um das Dreifache. Noch dazu bei einem ungeübten Fahrer, wie es der Angeklagte ist.“ Als das Pärchen wenig später bei seiner Flucht zu Fuß gestellt wurde, habe Reno G. „sehr gelassen und gefasst auf den Tatvorwurf reagiert“, berichtete gestern ein Polizeizeuge. Im Streifenwagen hätten er und seine Freundin darüber geklagt, dass sie keine Zigaretten hätten und müde seien. „Es gibt einen Ernüchterungseffekt durch eine schockartige Reaktion“, betonte die Rechtsmedizinerin. In so einer Situation mobilisiere der Körper alle Leistungsreserven. Das erkläre das Verhalten des Angeklagten beim Eintreffen der Polizei. „Nach 15 bis 20 Minuten sieht es dann schon wieder anders aus.“ Der Arzt, der dem Todesfahrer die Blutprobe entnahm, attestierte ihm, deutlich unter Alkohol zu stehen. Die Verhandlung wird am 28. November mit den Plädoyers fortgesetzt. Hoga

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