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Von Henry Klix und Jan Brunzlow: Halbe Stunde von Bad zu Bad
Potsdam und Werder haben einen Wettlauf begonnen, wer schneller das schönere Freizeitbad baut
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Zwei neue Freizeitbäder, 17 Straßenkilometer voneinander entfernt: Nach jahrelangem Hickhack haben Potsdam und Werder (Havel) bei ihrer Badplanung einen ähnlichen Stand erreicht. Beide Projekte sollen bis zum Jahr 2012 umgesetzt sein, für Bewohner und Besucher öffnen sich die Türen zu völlig neuen Badewelten. Die beiden Großbäder werden am Ende wohl insgesamt wenigstens 40 Millionen Euro an Investitionskosten verschlingen – und auf Dauer Zuschussgeschäfte bleiben. In Potsdam wird der Bäderetat um jährlich 800 000 Euro wachsen. In Werder war in einem frühen Umsetzungskonzept von einem jährlichem Betriebskostenzuschuss von 500 000 Euro die Rede. Hunderttausende Besucher werden benötigt, damit die Rechnungen aufgehen.
Keine halbe Stunde Fahrzeit werden die beiden Badstandorte im Bornstedter Feld und in den Havelauen voneinander trennen, den Einzugsbereich für solche Bäder schätzen Fachleute auf 30 bis 45 Minuten. Das eine Bad könnte als sportlich orientiertes Freizeitbad eher ein junges Publikum ansprechen, während für die direkt am Zernsee geplante „Blüten-Therme“ der Wohlfühlfaktor im Vordergrund stehen soll. Doch graben sich zwei so große Bäder – auch wenn die Konzepte etwas abweichen – am Ende nicht trotzdem das Wasser ab?
In der öffentlichen Kommunikation tun die SPD- und CDU-geführten Rathäuser, als würde die Pläne der Nachbarn nicht bestehen. Doch hinter den Kulissen hat längst ein Wettlauf begonnen, wer schneller und wer schöner baut. Als Werder im Mai 2008 eine Machbarkeitsstudie vorstellte, war noch von einem Badbau für elf Millionen Euro die Rede. Der mit der Expertise beauftragte „Bundesfachverband öffentliche Bäder“ ging seinerzeit davon aus, dass Potsdam nach dem Abschied von den kolossalen Niemeyer-Plänen am Brauhausberg „in nächster Zukunft“ kein Freizeitbad entwickeln wird.
Nachdem die Landeshaupstadt dann plötzlich doch Standort und Finanzierung für ein Freizeitbad klären konnte, suchte man auch in der Blütenstadt nach neuen Wegen: In den Havelauen wurde ein deutlich größeres Badgrundstück erworben, und man öffnete die Tür für eine private Beteiligung – um mehr Freizeit- und Wellnesselemente bauen zu können. Der Coup sollte möglichst lange geheim bleiben, sickerte nach PNN-Recherchen aber im September 2009 durch.
Vor drei Wochen hat Werders Stadtverwaltung Planung, Bau und Betrieb europaweit ausgeschrieben. In Potsdam wird derweil die Badplanung verfeinert, um demnächst den Bau ausschreiben zu können. Hier hält man sich die Möglichkeit offen, das Freizeitbad auch nach der Fertigstellung zu ergänzen – mit einem Freibad, neuen Spaß- und Wellnesselementen – man weiß ja nie, was Werder macht!
Die Landesregierung beobachtet das Wettschwimmen skeptisch. Nach wie vor gelte das Bädergutachten aus dem Jahr 2003, so der Sprecher des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport, Stephan Breiding, gegenüber den PNN. Die Empfehlung der Gutachter war seinerzeit eindeutig: Entweder ein Freizeitbad in Potsdam oder in Werder. „Das Potenzial für zwei größere Anlagen reicht nicht aus“, urteilten die Freizeitberater der Berliner Regionomica und der Conpro GmbH in Nürnberg.
Die Kristall-Therme in Ludwigsfelde war damals noch kein Thema. Doch schon vor sieben Jahren sah man die üppig geförderten Freizeitbäder in Belzig, Brandenburg (Havel) und Luckenwalde massiv in Gefahr, wenn auch nur eines der beiden neuen Großbäder im Berliner Südwesten in Betrieb gehen sollte. Die Risiken würden mit der Ludwigsfelder Therme und dem jüngsten Badausbau in Belzig umso mehr bestehen, sagt Ministeriumssprecher Breiding. „Deshalb ist es nach wie vor umso mehr erforderlich den Bedarf für den Neubau eines Bades umfassend zu analysieren.“
Das Land wird die Kommunen nicht davor bewahren können, mit ihren Projekten baden zu gehen oder andere Bäder zu gefährden. „Das Bädergutachten hat empfehlenden Charakter und kann nicht in die Entscheidungskompetenz von Kommunen oder Bäderbetriebe eingreifen“, betont Breiding. Es sei in erster Linie eine „Orientierung für die Entscheidungen der Förderpolitik“, die Fördertöpfe für Bäder haben sich längst geleert. „Ob unter Umständen eine gewerbliche Förderung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe in Betracht kommt, muss im Einzelfall geprüft werden“, heißt es wolkig aus dem Wirtschaftsministerium. Die beiden Städte haben sich längst von allen Hoffnungen auf große Zuschüsse verabschiedet.
Werder und Potsdam reizen ihre Planungshoheit aus – und niemand funkt ihnen dazwischen. Die Kommunalaufsicht des Landes könnte allenfalls im Fall einer Kreditaufnahme ihren Einfluss geltend machen – und auch nur, wenn ein kommunaler Haushalt durch Zins und Tilgung ins Kippeln gerät, wie Stephan Breiding erklärt. In Potsdam muss die Stadtkasse für die Baukosten dank der stets solventen Stadtwerke nicht belastet werden, im auf Schuldenabbau programmierten Werder wird man Kredite um jeden Preis verhindern.
Ausgerechnet der Badbetreiber der Ludwigsfelder Kristalltherme, Heinz Steinhart, hatte schon vor anderthalb Jahren sein Interesse am Werderaner Projekt bekundet und erklärt: „Das ist ein interessanter Standort für den Ferien- und Freizeitbereich mit einer schönen Umgebung und guter Infrastruktur.“ Greift da schon jemand nach dem Rettungsring?
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