HEYES Woche: „Happiness“ – eine Weihnachtsgeschichte
Gibt es eine rührendere Weihnachtsnachricht als die von „Happiness“? So heißt das Baby, das mit seiner Mutter Judith, einer jungen Nigerianerin, an der spanischen Küste anlandete.
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Gibt es eine rührendere Weihnachtsnachricht als die von „Happiness“? So heißt das Baby, das mit seiner Mutter Judith, einer jungen Nigerianerin, an der spanischen Küste anlandete. „Happiness“ war in einer Nussschale geboren worden, mit der 38 schwarzafrikanische Armutsflüchtlinge den Weg aus ihrem Elend suchten. 100 Kilometer vor der spanischen Küste hatten die Wehen eingesetzt. Und nun ist das Kind da und trägt an seinem Namen. Was kann das Menschlein erwarten, das da am ersten Tag seines Lebens auf der Flucht ist? Nach allem, was wir Menschen uns gegenseitig antun, wird es viel von dem brauchen, was ihm als Name verheißen ist: Glück. Auch der Name der Mutter ist voller Symbolik. Der Freibeuter und Günstling seiner Königin, Sir Francis Drake, nannte seine Galeone „Judith“, mit der er auch Sklavenhandel betrieb. Afrika hatte schon einiges auszuhalten – und Europa war meistens dabei.
Das ist heute nicht anders. Gerade Nigeria, mit sprudelnden Ölquellen versorgt, könnte wohlhabend sein – und ein Vorzeigeland in Afrika. Doch das Öl ist eher sein Untergang. Ölmultis wie Shell zerstören das Land. Die Ölkatastrophe im Nigerdelta ist dafür beispielhaft. Weit weg von den Kameras der Nachrichtensender des Westens geschieht eine Umweltzerstörung gigantischen Ausmaßes, mit allen üblen Folgen für die Menschen. Niemand regt sich auf. Das Delta war vor dem Ölzeitalter des westafrikanischen Landes ein Naturparadies mit Mangrovenwäldern; fischreich, davon lebten die Menschen. Alles zerstört. Korruption und Bürgerkrieg und der unersättliche Öldurst der Industrieländer und Ölmultis, die das Land ausrauben, machen das Leben zur Hölle. Dagegen war der Sklavenhändler Drake ein geradezu liebenswerter Charakter.
Über „Happiness“ war auf einer Seite dieser Zeitung zu lesen. Einmal umblättern – und wieder eine andere Nachricht fällt ins Auge, die sich mit den drei Prozent der Deutschen beschäftigt, die aber über 50 Prozent des gesamten Vermögens des Landes verfügen. Widersprüchliches findet sich da. Selbstbild und Fremdbild wollen nicht zueinander passen. Das Selbstbild der Superreichen, so eine Untersuchung der Universität Potsdam, zeige Menschenfreunde mit sozialem Engagement. Die Bielefelder Konfliktforscher hingegen warnen vor einer Vereisung des sozialen Klimas in Deutschland, denn in ihrer Untersuchung finden sie bei mehr als der Hälfte der Wohlhabenden negative Vorurteile gegenüber Arbeitslosen und islamfeindliche und rechtspopulistische Einstellungen. Für diesen Teil dürfte das Boot vermutlich voll sein.
Frohe Weihnachten. Und „Happiness“ – willkommen auf der Erde!
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
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