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Aus dem GERICHTSSAAL: „Haste mal ’ne Zigarette?“

Behinderten Jugendlichen brutal geschlagen

Stand:

Aus dem GERICHTSSAALBehinderten Jugendlichen brutal geschlagen „Ich weiß, dass das Scheiße war. Aber es ist halt passiert“, quetscht Mike M.* (19) zwischen den Zähnen hervor. „Der Junge hat mir gar nichts getan. Ich kannte ihn ja nicht mal.“ Und doch verpasste der Ein-Euro-Jobber am Abend des 30. Oktober 2004 Leon L. einen Faustschlag auf die Nase, versuchte sein Opfer gar zu treten, als dieses durch die Wucht des Hiebes zu Boden gegangen war. „Ich hatte Stress mit meiner Freundin. Und angetrunken war ich auch“, versucht Mike M., sein brutales Handeln zu begründen. Leon L.* (17) hat Schwierigkeiten beim Laufen. Außerdem kann er sich sehr schwer verständlich machen. „Mein Sohn ist zu fünfzig Prozent behindert“, meldet sich Leons Mutter aus dem Zuschauersaal. Irgendwie gelingt es der Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts doch, dem Schüler eine Zeugenaussage zu entlocken. Folgt man dieser, so fragte Mike M. den Jugendlichen nach einer Zigarette. Leon verweigerte ihm den Glimmstängel. Daraufhin rastete der Angeklagte aus und schlug zu. Leon L. erlitt eine Jochbeinprellung, war zwei Wochen krank geschrieben. „Streng genommen war das versuchter Raub, auch wenn es bloß um eine Zigarette ging, die der Angeklagte mit Schlägen erpressen wollte“, wirft der Staatsanwalt ein. „Da liegt die Mindeststrafe für einen Erwachsenen bei einem Jahr.“ Doch angeklagt ist „nur“ gefährliche Körperverletzung. Und Mike M. sitzt vor der Jugendrichterin – leider nicht zum ersten Mal. Sie verhängte im Vorjahr wegen Sachbeschädigung, versuchter Nötigung sowie versuchter Körperverletzung einen Freizeitarrest (ein Wochenende hinter Gittern) gegen ihn. Mehrere Verfahren wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Nötigung wurden in der Vergangenheit bereits eingestellt. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe zeichnet ein düsteres Bild ihres Probanden. Mikes Mutter kam nach der Scheidung von ihrem Mann mit dem Sohn, der Alkohol trank und Drogen nahm, nicht mehr klar. Mike kam ins Heim, machte dort auch Probleme, absolvierte allerdings ein berufsvorbereitendes Jahr. Nach seinem 18.Geburtstag zog er in eine eigene Wohnung, begann eine Ausbildung. Die wurde ihm gleich wieder gekündigt, da er morgens nicht aus dem Bett kam. Seit März 2005 kümmert sich ein Einzelfallbetreuer um Mike M. Er brauche jemanden, der ihn immer wieder anschubst. Unter dem Einfluss dieses Betreuers sei es auch zum Versuch eines Täter-Opfer-Ausgleichs gekommen. Dieser scheiterte allerdings, da Leon L. nicht zum vereinbarten Termin erschien. Mike M. wird vom Gericht verwarnt. Er soll noch ein Jahr betreut werden, 100 Stunden gemeinnützig arbeiten und sich einer Verhaltenstherapie unterziehen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. (*Namen geändert.) Hoga

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