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Nicola Klusemann: Hauptsache Haare

Rund acht Millionen Menschen leiden unter starkem Haarausfall: Heute ist der Tag des Zweithaares

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Mit Haaren verkauft man besser, sagt Axel Wagner. Der Potsdamer Friseur hat sich spezialisiert auf Perücken und Toupets. Es sei „die Potenz, die von vollem Haar“ ausgehe, sagt der Inhaber der Haarpraxis in der Charlottenstraße. Deshalb gehörten viele Geschäftsleute zu seiner Stammkundschaft.

Der 57-Jährige selbst hat lichtes Haar und läuft damit eigentlich seiner Verkaufsstrategie zu wider. „Ich habe schon so viel ausprobiert“, erklärt der ausgebildete Maskenbildner. Aber bisher habe ihm keiner die Haarteile gut genug angepasst und an sich selbst könne er das nicht. „Man muss auch mal ohne gehen können“, sagt er – etwas unpassend zum heutigen bundesweiten „Tag des Zweithaares“.

An diesem Thementag, der bereits zum fünften Mal vom Bundesverband der Zweithaar-Einzelhändler und zertifizierten Zweithaarpraxen begangen wird, sollen die Tabuzonen in den Fokus rücken: Die kahlen Stellen, die sonst mühevoll wegtoupiert oder mit langem Resthaar überkämmt werden.

Haarausfall habe verschiedene Ursachen, so der Spezialist. Schätzungen zu folge seien etwa acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Die Fälle stiegen kontinuierlich an, so Wagner. Von einem jährlichen sechsprozentigen Zuwachs von Haarausfall sei die Rede. In Extremfällen geht es bis zur Glatze. Auch wenn der Lolli lutschende Kojak oder Schauspieler Yul Brynner prominente Beispiele für gut aussehende Männer ohne Kopfschmuck seien, empfindet Wagner das Haarlose als zu uniform. Haare verändern, geben Persönlichkeit, sagt der 57-Jährige.

Zweithaare seien bei der jungen Kundschaft im modischen Trend, sagt Gisela Frieß, stellvertretende Obermeisterin der hiesigen Friseurinnung. Viele junge Kunden würden sich Haarsträhnen anschweißen oder in den Haarschopf flechten lassen. Dabei ginge es um mehr Volumen, aber auch um „interessante Farbeffekte“, so die Potsdamer Salonbesitzerin. Haarteile oder Perücken seien aber nicht ihr Metier. „Dafür gibt es die Spezialisten“, so Gisela Frieß.

Inzwischen sei gut angelegter Haarersatz nicht mehr von Eigenhaar zu unterscheiden, sagt Axel Wagner. Vielfach seien die Hersteller bei der Anfertigung von der alten Knüpftechnik zum sogenannten Stechen übergegangen. Dabei wird jedes einzelne Haar in eine hauchdünne Kunststoffhaut implantiert. Die teuren Produkte seien aus Echthaar, das meist aus dem asiatischen Raum stamme. Aber auch künstliche Haare seien heute so hergestellt, dass sie sich fast wie echtes anfühlten. Haarteile und Perücken würden nur noch selten festgesteckt, stattdessen mit doppelseitigem Klebeband oder einem Spezialleim am Kopf befestigt. Der Vorteil: Perücken- oder Toupetträger könnten mit dem Zweithaar duschen. Vier bis sechs Wochen könnten sie permanent aufgesetzt bleiben. „Manche Frau weiß nicht mal, dass ihr Mann ein Haarteil trägt“, sagt Wagner.

Der große Tragekomfort der modernen Haarprothesen helfe auch Menschen, die krankheitsbedingt Kahlstellen am Kopf haben oder ganz ohne Haare sind. Axel Wagner hat den Standort seiner Praxis mit Bedacht gewählt: Sie liegt gegenüber vom Klinikum „Ernst von Bergmann“ und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Brandenburgischen Geschäftsstelle der Deutschen Krebsgesellschaft. Als Zweithaarspezialist ist der Friseur außerdem im „Solidarpakt der Friseure für Krebspatienten“ und als solcher ein guter Partner, wie Dr. Michael Krause, Chefarzt der Dermatologie im Bergmann-Klinikum sagt. Eigenhaartransplantationen führe die Potsdamer Klinik nur in Ausnahmefällen und dann auch nur zur Wiederherstellung der Augenbrauen durch. „Eine zu aufwendige Technik“, die außerdem bei vielen Krankheitsbildern, so bei Narbengewebe nach Kopfoperationen auch nicht anwendbar sei, sagt der Chefarzt. Mit dem Zweithaarexperten von Gegenüber könne man diese Patienten optimal versorgen, so Krause.

Axel Wagner hat erst vor kurzem bei der Krebsgesellschaft zum Thema referiert. Er halte sich auch selbst immer über Innovationen auf dem Laufenden. Das könnte auch helfen, sein eigenes Haarproblem zu lösen: „Im Frühjahr probiere ich etwas Neues aus“, kündigt der Zweithaarprofi an.

Tag des Zweithaares heute in der Haarpraxis Axel Wagner, Charlottenstraße 64

Nicola Klusemann

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