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Sport: Hauruck als Plan B
Die Ukraine könnte die Basketball-EM 2015 verlieren, Deutschland wäre ein denkbarer Ersatz-Ausrichter
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Berlin - Auf der Homepage der Basketball-Europameisterschaft 2015 ist die Ukraine noch in Ordnung. Der auf einem Foto entschlossen und optimistisch dreinblickende Organisationschef Alexander Wilkul verkündet, die EM werde der Ukraine die Chance geben, sich der Welt zu präsentieren, zudem würden 100 000 neue Jobs entstehen. In der Realität hat Wilkul momentan andere Probleme. Am Montag ordnete er in seiner Rolle als kommissarischer Vizeregierungschef an, alle Zahlungen aus dem Staatshaushalt bis auf Löhne und Gehälter vorerst einzustellen. Es gelte, „nicht zielgerichtete Ausgaben zu verhindern“. Angesichts des politischen Umbruchs in der Ukraine und der immensen wirtschaftlichen Probleme dürfte der Bau von Sportarenen und die Organisation eines Basketballturnier kaum in die Kategorie „zielgerichtete Ausgaben“ fallen. Zurzeit ist überhaupt nicht abzusehen, ob die EM im kommenden September überhaupt in der Ukraine stattfinden kann. Und falls nicht, wer das Turnier stattdessen ausrichten könnte.
„Es ist eine schwierige Situation“, gibt Sakis Kontos zu, der Sprecher des europäischen Verbands Fiba Europe. „Wie alle hoffen wir natürlich, dass sich das Land schnell stabilisiert und erholt.“ Im Dezember wollte der Verband eigentlich vor Ort Fortschritte bei Organisation und Hallenbau überprüfen, die Inspektionsreise wurde aufgrund der Unruhen mehrfach abgesagt. „Es gibt zurzeit keine wirkliche Regierung, wir müssen abwarten, wie sich die Lage entwickelt“, sagt Kontos. Der ukrainische Basketballverband arbeite zwar weiter – „so schwer das zu glauben ist“ –, eine Verzögerung der Planungen von mehreren Monaten sei aber natürlich nicht zu verhindern gewesen.
Eigentlich ist geplant, dass 24 Mannschaften an sechs verschiedenen Spielorten in größtenteils neu errichteten Arenen um den EM-Titel kämpfen. Allerdings soll an mindestens einem Standort der Bau der neuen Arena noch nicht einmal begonnen haben. Und Kamil Novak, Generalsekretär von Fiba Europe, äußerte sich bereits im November mit großer Sorge über die Baufortschritte: „Die Ukraine darf sich keine Verzögerungen erlauben.“
Am gestrigen Dienstag beriet das Exekutivkomitees der Fiba Europe über die Situation, bei Redaktionsschluss war noch keine Entscheidung bekannt. Im Führungszirkel des Verbands kursiert der Vorschlag, die Ukraine die EM nicht 2015 sondern 2017 ausrichten zu lassen – und das Turnier im kommenden Jahr notgedrungen kurzfristig anderweitig zu vergeben. Als Ausrichter einspringen könnten dann womöglich jene Länder, die ursprünglich mit der Ukraine konkurriert hatten. Deutschland, Frankreich, Italien und Kroatien hatten sich zusammen um die EM 2015 beworben, ihre gemeinsame Kandidatur dann aber mit dem Hinweis auf fehlende Professionalität des Bewerbungsverfahrens und mangelnde Transparenz zurückgezogen. Eine Vergabe an das Kandidaten-Quartett hätte den Vorteil, dass die Hauruck-Aufgabe von vier Verbänden leichter zu stemmen ist als von einem Ausrichter alleine.
Beim Deutschen Basketball-Bund kennt man die aktuellen Gerüchte, laut Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt gibt es aber keine Anfrage seitens Fiba Europe. „Offiziell wissen wir gar nichts davon“, sagt Brenscheidt. „Wir sind nicht kontaktiert worden, für uns ist das aktuell kein Thema.“ Der französische Verband hingegen bringt sich bereits in Stellung. „Wir sind motiviert, sofern die Finanzierung gesichert ist. Allerdings sind wir davon noch weit entfernt“, sagte Verbandspräsident Jean-Pierre Siutat der „L’Équipe“.
Der europäische Basketballverband steht nun unter großem Zeitdruck. Über einen möglichen Ersatz für die Ukraine will man in der Zentrale in München aber nicht spekulieren. „Das wäre kontraproduktiv – und auch nicht fair gegenüber den Menschen, die schon lange sehr hart für dieses Turnier arbeiten“, sagt Verbandssprecher Sakis Kontos. Und fügt hinzu: „Wir haben aber natürlich einen Plan B.“
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