
© Manfred Thomas
Von Guido Berg: Haus Dietz vor dem Abriss
Zeugnis des Neuen Bauens in Gefahr / Besitzer kritisiert Wertverlust durch Leiblstraßen-Neubauten
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Innenstadt - Potsdam steht vor einem skandalösen Architekturverlust: Der Architekt und Projektentwickler Volker Wiese, Inhaber des Hauses Dietz in der Kurfürstenstraße 24, hat auf eigenen Antrag von der Stadt Potsdam einen positiven Bescheid für seine Bauvoranfrage erhalten. Demnach ist es ihm erlaubt, das Haus Dietz abzureißen und das Grundstück neu bebauen zu lassen. Die vom Architekten Heinrich Laurenz Dietz entworfene Villa bildet mit dem Nachbargebäude, der ehemaligen Gymnastikschule, ein in Potsdam einmaliges Ensemble des Neuen Bauens. Das Ende der 1920er Jahre errichtete Haus steht nicht auf der Denkmalschutzliste, da es wegen „gründungsbedingter Einsturzgefahr“, wie es im Architekturführer Potsdam (Reimer-Verlag) heißt, 1984 abgetragen und mit Hilfe der Denkmalpflege neu aufgebaut wurde.
„Es ist eine Tragik“, sagt Eigentümer Wiese, auch Bewohner des architekturgeschichtlichen Zeugnisses. Eigentlich wollte Wiese in dem Haus seinen Lebensabend verbringen. Doch nun entstehen auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite in der Leibstraße zwei fünfgeschossige Gebäude mit zusammen 50 Wohnungen. Seitenflügel ragen bis dicht an Wieses Grundstücksgrenze. Von Balkonen in Nordrichtung, acht Meter über Grund, sei sein gesamtes Grundstück einsehbar; die Gartenanlage mit künstlerischen Skulpturen und Koikarpfen-Teich sei von herausragendem Wert. Wiese sieht sich durch die umstrittene Neubebauung in seiner Lebensqualität stark beeinträchtigt. Wiese: „Ich glaubte, ich sei angekommen.“ Nun will Wiese das Grundstück verkaufen und woanders wohnen, könne aber die von ihm in das Haus investierten zwei Millionen Euro nur dann wieder realisieren, wenn er das Areal als Bauland veräußert – was ihm die Stadt nun gestattete. Mit dem Haus Dietz darauf, glaubt Wiese, könne er wegen der störenden Leiblstraßen-Neubauten höchstens eine Million Euro erlösen. Somit entstehe durch die beiden Fünfgeschosser ein Wertverlust von einer Million Euro – „eine Halbierung des Haus- und Grundstückswertes“.
Der Architekt bekräftigt, dass es ihm mit dem Abriss-Szenario sehr ernst ist. Er habe kaum Hoffnung, dass seine Klage auf Rücknahme der Baugenehmigung für die Leiblstraßenhäuser beim Oberverwaltungsgericht Potsdam positiv beschieden wird. „Der Paragraf 34“, nach dem die Gebäude genehmigt wurden, „ist ziemlich dehnbar“, sagt Wiese. Auch habe er den Eindruck, dass „eine Potsdamer Seilschaft“ dem in der Nachbarschaft äußerst kritisierten Bauvorhaben Rückenwind verleihe. Hausbesitzer an der Leiblstraße befürchten, dass die auf Sumpfland errichteten Neubauten Grundwasser verdrängen und ihre historischen Pfahlhäuser beschädigen könnten. Wiese erklärte, er habe nicht die Absicht, auf ein Million Euro zu verzichten. Somit hätten die bereits vorstelligen Interessenten für sein Angebot über 6000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche in bester Potsdamer Innenstadtlage gute Karten. Einer wolle ein Seniorenheim errichten, der andere Eigentumswohnungen. Das Haus Dietz wird es möglicherweise nicht mehr lange geben.
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