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Landeshauptstadt: Hausbesuch beim Schultheiß-Direktor

Historische Bauten zogen am Tag des offenen Denkmals hunderte Potsdamer an

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Über den Festsaal, den sie an ihrem Geburtstag geboten bekam, konnte sich Sabine Ambrosius nicht beklagen. Die Sachbearbeiterin für Denkmalpflege im Potsdamer Rathaus eröffnete am gestrigen Sonntag zusammen mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im Kaminzimmer der Villa Baumgart in der Friedrich-Ebert-Straße 67 den Tag des offenen Denkmals in der Landeshauptstadt. Dabei offenbarte sich der Begriff Kaminzimmer eher als Untertreibung: Es handelte sich um einen großzügigen Raum, der einschließlich seiner Decke mit Holz getäfelt oder verziert ist. Der Besucher-Andrang in der Villa war groß. Bereits vor der Öffnung um zehn Uhr drängten sich die Leute vor dem Eingang. Zur Eröffnung standen mehr als einhundert Interessierte dicht an dicht.

„Sehen Sie die schönen Stofftapeten aus der Erbauungszeit“, sagte Ambrosius und erinnert an Marie Baumgart, für die Hofmaurermeister Carl Partik das Haus Anfang des vergangenen Jahrhunderts zu einer „Fabrikantenvilla“ umbaute. Baumgarts Unternehmen stellte unter anderem Armaturen her und belieferte mit diesen den kaiserlichen Hof. Die Baugeschichte geht bis in das Jahr 1765 zurück. „Die großformatigen Ziegel, die Sie teilweise sehen können, stammen vom Vorgängerbau“, erklärte die Denkmalpflegerin.

Jörn-Michael Westphal, Geschäftsführer der kommunalen Bauholding Pro Potsdam, welcher die Villa gehört, hält eine druckfrische Broschüre der Deutschen Grundstücksauktionen AG in der Hand. Auf dem Titelblatt prangt die schneeweiße Villa Baumgart. Die Pro Potsdam hofft, dass das äußerlich prächtige Jugendstil-Haus mit seinem 6000 Quadratmeter großen Garten bei der Auktion am 27. September einen Erwerber findet. Mindestgebot: 1,38 Millionen Euro. Die Pro Potsdam hatte für die Dach- und Fassadensanierung vor zehn Jahren eine halbe Million Euro ausgegeben. Das Innere ist trotz des Erhalts vieler originaler Ausstattungselemente stark sanierungsbedürftig. „Eine gewaltige Aufgabe wartet auf den neuen Eigentümer“, bemerkte der Oberbürgermeister.

Dieses Wort des Stadtoberhauptes trifft in noch höherem Maße für das „Landhaus Villa Luisenhof mit Parkanlage“ in der Templiner Straße 31 zu. Mitarbeiter und Auszubildende des Eigentümers, des Brandenburgischen Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen (BLB), hatten sich mit viel Mühe auf die Besucher eingestellt. Der Azubi Dustin Neumann, angehender Immobilienkaufmann, führte über den Dachboden und schließlich durch eine Luke auf den 32 Meter hohen Turm mit einer guten Sicht über den Tornow hinüber zur Friedenskirche im Park Sanssouci. Die Villa Luisenhof, benannt nach der Ehefrau des Bauherren, des Generaldirektors der Schultheiß-Brauerei Richard Roesicke, entstand in den Jahren 1893/94 nach Plänen des Berliner Architekten Franz Heinrich Schwechten. Sie steht seit Kurzem samt Park und vielen Nebengebäuden zum Verkauf. Insgesamt handelt es sich um eine Fläche von 38 907 Quadratmeter. Den Kaufpreis beziffert die BLB mit 1,95 Millionen Euro. Das Innere ist durch die jahrzehntelange Umnutzung, zuletzt für landwirtschaftliche Forschungszwecke und als Landeslabor, stark verändert worden. Vom Dach- bis zum Kellergeschoss war jedes Eckchen ausgenutzt. An einer Kellertür ist der frühere Zweck an einem roten Totenkopf-Symbol ablesbar: „Giftraum Abt. II“. Bauliche Vernachlässigung führte unter anderem zu Schwammbefall und Putzschäden. Nach Meinung von BLB-Mitarbeiterin Gundula Mertens sei in Abstimmung mit der Denkmalpflege die Entwicklung zu einem Wohnstandort sinnvoll. Ohne größere Eingriffe in die Substanz dürfte das aber nicht möglich sein. Die stadt- und wassernahe Lage sei einmalig. „Wohnen und Arbeiten in der Templiner Vorstadt“, heißt es in der Zukunftsvision auf einem BLB-Infoblatt

Wohnen und arbeiten können hingegen Sabine Swientek und Henry Sawade wenigstens teilweise in ihrem Denkmal am Ende der Uetzer Dorfstraße. Ein Hinweisschild „Fährhaus“ an der Kreuzung des Dörfchens, das 15 Kilometer vom Potsdamer Stadtzentrum entfernt ist, weist die Richtung. Viele Interessenten scheuten den weiten Weg zum Denkmaltag hierher nicht, denn das 1837 erbaute Fährhaus war noch nie öffentlich zugänglich. „Ich habe daher erwartet, dass so viele Leute kommen“, sagt Swientek. Vor einem Jahr kauften ihr Lebenspartner und sie das Fachwerkhaus und wollen es in den nächsten fünf Jahren denkmalgerecht und wohnlich herrichten. Derzeit ist es eine Baustelle. Zimmermeister Hans-Joachim Jabs aus Werder hat sich der Fachwerk-Balken angenommen und ersetzt die schadhaften Teile mit neuem Holz. Später solle noch ein denkmalgerechter Farb-Anstrich hinzukommen, erklärt er. Das ein wenig an die Häuser der Russischen Kolonie Alexandrowka erinnernde Fährhaus soll unter der Regentschaft von Friedrich Wilhelm III. der Baumeister Ludwig Persius geplant haben. Eine Bootsfähre verkehrte von hier aus über die Wublitz. Das Fährhaus steht heute weit weg vom Wasser. Durch den Bau der „Reichsautobahn“ verlor es spätestens 1935 seine Funktion. Unmittelbar hinter den großen Linden am Grundstück rauschen die Autos vorbei. Die Bauherren hatten zum Tag des offenen Denkmals die Geschichte dieses Ortes für die Besucher liebevoll und anschaulich aufbereitet. „Das Gebäude wollen wir so gut restaurieren, dass es am Ende aussieht wie zur Erbauungszeit“, sagt der gelernte Bildhauer Sawade.

Günter Schenke

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