Landeshauptstadt: Hausmeister für den ganzen Kiez
In Drewitz sollen eigens qualifizierte Langzeitarbeitslose die sanierte Gartenstadt instand halten – und gegen Unrat vorgehen
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Er war frustriert, hatte keinen Antrieb mehr. Vor drei Jahren war Rolf-Peter Hornemann noch arbeitslos, die meisten Bewerbungen des damals 55-Jährigen blieben unbeantwortet: „Ich saß wie auf Kohlen.“ Zwei Jahre ging das damals schon so.
Heute arbeitet Hornemann als sogenannter Immobilienbetreuer der kommunalen Bauholding Pro Potsdam in der Gartenstadt Drewitz. Täglich um 7 Uhr beginnt seine Arbeit: Im nördlichen Teil von Drewitz hält er die öffentlichen Parkbuchten in Ordnung und kontrolliert, dass private Stellplätze nur für ihre Besitzer frei bleiben. Dazu beschneidet Hornemann Hecken, mäht Rasenflächen, erledigt kleine Reparaturen oder holt die Müllabfuhr, wenn jemand Unrat auf die Straße gestellt hat. Zusammen mit drei anderen Langzeitarbeitslosen soll er damit beginnen, das Plattenbauviertel von seinem Schmuddelimage zu befreien – immer wieder haben Drewitzer in der Vergangenheit die mangelnde Sauberkeit als eines der größten Probleme im Kiez benannt.
Dass Hornemann wieder einen Job hat, liegt an dem Programm „Workin45 Plus“, das die Pro Potsdam vor knapp drei Jahren gestartet hat (siehe Interview). Eine Hauptidee dabei: Langzeitarbeitslose im Alter von über 45 Jahren sollen den Stadtteil pflegen, in dem sie leben – Hornemann stammt selbst aus Drewitz. 1,2 Millionen Euro kamen dafür aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Bundesbauministerium. Insgesamt 57 Hartz-IV-Bezieher wurden jeweils 18 Monate für die Wartung von Gebäuden und Außenanlagen qualifiziert – sie gestalteten Blumenkästen und Kitawände oder organisierten die Weihnachtsbeleuchtung im Kiez. 24 Teilnehmer haben inzwischen einen neuen Job, 21 davon in Potsdam. „Hätten wir dieses Jahr nicht noch eine neue Gruppe übernommen, läge unsere Vermittlungsquote sogar bei über 60 Prozent“, sagt Projektleiterin Gudrun Wünsche.
Für die Koordinatorin besitzt das turnusmäßig auslaufende „Workin“-Programm Modellcharakter. Längst sei geplant, dass Stadt und Pro Potsdam sich für ein neues, ganz ähnliches Programm bewerben, um mit Fördermitteln Personal für die Wartung energetisch sanierter Viertel wie der Gartenstadt auszubilden, sagt Wünsche: „Wie Herr Hornemann wären das Ansprechpartner für die Bewohner, die man täglich sieht und kennt.“
Szenenwechsel zu Anja Luderich: Die 30-Jährige lebt in der Fritz-Lang-Straße, hier würden Immobilienbetreuer benötigt. Hinter ihrem Wohnblock gibt es einen begrünten Hinterhof, in dem dorthin führenden Durchgang stehen links und rechts Betonbehälter für den Müll – links heißt der Vermieter Semmelhaack, in ihrem Wohnblock ist es die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Weil Unrat oft neben den Containern liegt, will Luderichs Vermieter den Müllplatz in den Innenhof versetzen, dort müssten eine Hecke gerodet und zusätzliche Flächen betoniert werden. „Ohne Not“, so Luderich. Für Hunderte Anwohner würde der Innenhof an Lebensqualität verlieren. Seit Juli informiert ein Aushang über die einsame Aktion – der Semmelhaack-Müllplatz bleibt schließlich, wo er ist.
Luderich und andere Anwohner wehren sich, haben sich an die Stadtverwaltung und das Stadtparlament gewandt – ohne Erfolg, weil es sich um die Entscheidung eines privaten Vermieters handelt. Ein Bima-Sprecher teilt auf Anfrage mit, die neue Fläche werde mittels einer neuen Laubhecke ansprechend gestaltet, die Wohnqualität nicht leiden: „Wir sehen keine andere Lösung.“
Die Leiterin des Workin-Projekts, Gudrun Wünsche, hat andere Vorstellungen, wie es mit dem Thema Sauberkeit und Ordnung in Drewitz weitergehen könnte. Statt Vermieter-Wirrwarr wäre es „langfristig wünschenswert, wenn sich in Drewitz alle, die mit Immobilienbetreuung zu tun haben, zusammenschließen und gemeinsam die Pflege der Außenanlagen organisieren“. Gerade in die bereits mit zig Millionen Euro umgebaute Gartenstadt müssten weitere Gelder für die Instandhaltung fließen, sagt Wünsche – weil sonst langfristig erneut hohe Sanierungskosten entstünden. Dazu könnten Modelle wie „Workin 45Plus“ helfen, reguläre Arbeitsplätze zu schaffen, erklärt die Projektleiterin: „Im gesamten Hausmeister- und Grünpflegebereich gibt es ohnehin zu viele schlecht bezahlte Mini- und Teilzeitjobs.“
Rolf-Peter Hornemann verdient jetzt genug, dass er kein Hartz IV mehr beziehen muss. Täglich ist er dafür rund acht Stunden unterwegs. „Mit meinem Dienstfahrzeug“, sagt er und grinst, als er auf ein Fahrrad mit Anhänger zeigt. Und noch etwas ist ihm wichtig: „Die Mieter freuen sich, wenn es sauber ist.“ Wünsche fügt hinzu, die größere Ordnung sorge auch für eine höhere Hemmschwelle, neue Schmuddelecken zu produzieren. Allerdings eben noch nicht überall im Viertel: Nicht zur Route des Immobilienbetreuers gehört der Wohnblock von Anja Luderich. Dort entschuldigte sich die Bima übrigens zuletzt per Aushang dafür, dass die für die Pflege der Außenanlagen zuständige Firma nicht zufriedenstellend arbeitete: Sollte das so bleiben, würden Vertragsstrafen drohen. Viel geändert hat sich seither nichts. Zeit für einen Immobilienbetreuer?
Insgesamt lebten in Drewitz nach Angaben der Stadtverwaltung Ende vergangenen Jahres 7147 Menschen, darunter 4713 Personen zwischen 18 und 65 Jahren. Insgesamt sind in dem Stadtteil 1023 Männer und Frauen als Hartz-IV- Bezieher gelistet – jeder fünfte Drewitzer im erwerbsfähigen Alter. Demgegenüber stehen 2812 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Der Arbeitslosenanteil liegt in Drewitz bei 10,1 Prozent – in ganz Potsdam bei 7,5 Prozent. HK
nbsp;Henri Kramer
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