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Aus dem GERICHTSSAAL: Heil-Hitler-Rufe von einem Balkon am Schlaatz

Täter konnte nicht eindeutig identifiziert werden / Angeklagter leugnet / Freispruch „In dubio pro reo“

Stand:

Hat er oder hat er nicht? Die Staatsanwältin hält an der Anklage fest. Sie beantragt, Kevin K. * (36) wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu vier Monaten Freiheitsstrafe zu verurteilen, die zur Bewährung ausgesetzt werden können. Außerdem soll der Potsdamer 120 Stunden unentgeltlich arbeiten. Der Angeklagte mit den extrem kurzen Haaren vermag sich nicht mehr zu erinnern, ob er am 3. Januar auf einem Balkon am Schlaatz mehrfach „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ grölte. „Ich war dort zu Besuch und ganz schön betrunken. Eigentlich mache ich so etwas nicht mehr“, schickt der einschlägig Vorbestrafte hinterher. Amtsrichterin Constanze Rammoser-Bode hegt Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. „Es war ein zweiter Mann auf dem Balkon. Theoretisch kann auch er der Rufer gewesen sein“, gibt sie zu bedenken. Freispruch für Kevin K.!

„In dieser Wohnung wird nur gesoffen und geschrien“, schildert Bodo B.* (45) das Verhalten der Mietpartei über ihm. „Wir haben deshalb schon öfter die Polizei gerufen. Die Wohnungsgesellschaft weiß auch Bescheid, was da abgeht.“ In der besagten Nacht habe er deutlich „dreckige Musik“ und „rechtsradikales Gebrüll“ vernommen. Im Gegensatz zu dem Wohnungsmieter habe der Rufer der Parolen eine markante, raue Stimme besessen, berichtet der Handwerker. „Sag mal Hallo“, wendet er sich an den Angeklagten. Kevin K. kommt der Forderung nach. Der Zeuge überlegt kurz. „Er könnte es gewesen sein. Ganz sicher bin ich mir aber nicht“, räumt er ein.

„Diese Parolen gab es überhaupt nicht“, versichert Sabrina S.* (25). Sie vermutet, ihr soeben als Zeuge gehörter Nachbar wolle sie und ihren Partner aus der Wohnung ekeln. „Mit ihm gibt es Stress, seit wir hier eingezogen sind. Angeblich sollen wir ständig laute Musik hören. Das stimmt überhaupt nicht. “ Ihr Freund, der Angeklagte und sie hätten ferngesehen, sich dazwischen unterhalten und getrunken. „Meine kleine Tochter hat mit dem Hund von Kevin K. gespielt.“ Weshalb die Polizei plötzlich vor der Tür stand und die beiden Männer mitnahm, könne sie sich beim besten Willen nicht erklären.

„Diese Zeugin ist unglaubwürdig. Sie steht im Lager des Angeklagten“, stellt die Staatsanwältin klar. „Zudem möchte sie als Mieterin der Wohnung, die Ausgangspunkt der Straftaten war, nicht in Verruf kommen.“ Der Angeklagte sei an jenem Abend mit knapp drei Promille sehr stark alkoholisiert gewesen. „Es kann durchaus sein, dass er sich nicht mehr daran erinnern kann, was er gemacht hat.“ Dem hält die Vorsitzende entgegen: „Fest steht, dass etwas gerufen wurde. Wer der Täter war, konnte nicht geklärt werden. Die Entscheidung ergeht deshalb zugunsten des Angeklagten.“ (*Namen geändert.) Hoga

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