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Von Peter Könnicke: Heilen durch Lachen
Potsdamer Klinik-Clown-Verein bringt Spaß in Krankenhäuser und Seniorenheime der Region
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Berlin/Potsdam - Quer über die Kaffeetafel fliegt ein „Schneeball“. Und dann noch einer und noch einer. Hella Propeller ist der Absender. „Die machen Quatsch mit uns“, bemerkt am anderen Ende des Tisches eine ältere Dame. Quatsch machen, lustig sein, Menschen zum Lachen bringen - das ist der Job von Nicola Streifler alias Hella Propeller. Sie arbeitet als Klinik-Clown und animiert gerade mit Wattebällchen die Bewohner des Seniorenhauses „Arche“ in Berlin-Zehlendorf zu einer „Schneeballschlacht“.
„Lachen ist etwas sehr Heilsames“, sagt Streifler. Dass die 34-Jährige als Clown in Kliniken, Hospizen oder Seniorenheimen Kranke zum Lachen bringt, nennt sie eine logische Konsequenz aus ihrem Studium, ihrer Vorliebe fürs Theater und aus eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen. Nach dem Studium für pathologische und klinische Linguistik arbeitete sie zunächst in einer neurologischen Reha-Klinik. War der Umgang mit den Patienten zwanglos und lustig, machten sich deren Sprachstörungen weniger bemerkbar. Bei ernsthaften Übungen hingegen offenbarten sich sprachsystematische Schwächen besonders deutlich. „Der therapeutische Umgang mit den Patienten war mir zu streng und zu ernst“, sagt Streifler. „Das ging mir zu sehr am Herzen vorbei.“ Auf der Suche nach einer Alternative ergaben die sprachtherapeutische Ausbildung und das parallel laufende Studium der Theaterpädagogik schließlich die Schnittmenge, die zu ihrer Berufung führte: Sie wurde Klinikclown.
In den USA ist die Idee der Klinikclowns bereits seit einem Vierteljahrhundert populär, in Deutschland wird der therapeutische Einsatz von Humor seit einigen Jahren forciert. Darauf eine berufliche Existenz zu gründen, ist allerdings schwer. Klinikclowns sind - im doppelten Wortsinn - Lebenskünstler. Streifler arbeitete zunächst in Bielefeld, besuchte dort Altenheime, Behindertenzentren, Krebspatienten in Kliniken.
Nach ihrem Umzug nach Potsdam gründete sie Anfang des Jahres mit neun Musikern, Schauspielern und Ergotherapeuten den Potsdamer Klinik-Clown-Verein. Bislang finanziert sich die Arbeit vor allem aus Spenden privater Sponsoren und Stiftungen. Einer der bekanntesten Mäzene ist Eckhart von Hirschhausen mit seiner Stiftung „Humor hilft heilen“. „Schönster Lohn ist letztlich, wenn gelacht wird“, sagt Streifler. Das falle Kindern leichter, weil ihnen die Fantasiewelt vertrauter ist. Erwachsenen müsse man diese erst „wieder aufschließen“. „Ich suche Kontakt über die Augen, mit Gesten, mit Bewegungen“, beschreibt die 34-Jährige ihre Annäherungsversuche. Als Clown müsse sie die Situation im Raum erkennen, sie in eine Körpersprache übersetzen und verwandeln – ins Schöne, Groteske, Zauberhafte, Absurde. Das sei richtig schwere Arbeit, sagt sie.
Bei ihrem Besuch in der „Arche“ – mit den Clowns-Kollegen Balou und Matti – erreicht sie ihr Publikum vor allem über Musik. Der Anblick der Kaffeetafel lässt sie spontan singen: „In einer kleinen Konditorei, da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee“ – ein Evergreen, der im Seniorenheim schnell seinen Chor findet. Als sie später ein Winterlied vorschlägt, ein älterer Herr aber lieber „Das Wandern ist des Müllers Lust“ singen will, finden sich auch diese Harmonien flugs auf der Mandoline. Und als „Frau Siebe, die Liebe“, wie Hella Propeller schnell reimt, unruhig wird und „mal den Flur hoch und runter laufen muss“, nimmt Nicola Streifler sie bei der Hand und meint: „Wir können auch tanzen.“ Lächelnd dreht sich Frau Siebe im Kreis.
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