Landeshauptstadt: Heiligtum aus Übersee
Gesetzestreue jüdische Gemeinde erwarb Torarolle
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Innenstadt - Im Handgepäck eines gläubigen jüdischen Mannes überflog sie den Atlantik. Jetzt wurde die 200-jährige „Sefer Tora“ in Potsdam feierlich der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde übergeben.
Die Torarolle, die über 600 Ge- und Verbote enthält, gelte als Geist, Seele und Heiligtum einer jüdischen Gemeinde, erklärte Shimon Nebrat von den Gesetzestreuen. Weil sich seine Gemeinde keine neue Schriftrolle leisten könne, habe man eine gebrauchte erworben. Etwa ein Jahr brauche ein Sofer, ein jüdischer Schriftgelehrter, um eine Tora zu erstellen. Das handschriftliche Dokument koste zwischen 30 000 bis 40 000 Dollar, erklärte Nebrat. Erwerb und Restaurierung der Schriftrolle aus New York habe etwa ein Viertel des Neupreises betragen, sagte der Geschäftsführer der orthodoxen Gemeinde. In Übersee gebe es eine Einrichtung, die gemeindelose Toras aufbewahre. Woher genau die Torarolle stamme, die jetzt die Gesetzestreuen erwarben, wisse man noch nicht, so Nebrat. Ein Schriftstück aber belege, dass sie in Deutschland geschrieben worden sei. Vor den Nazi-Schergen versteckt, sei sie unter schwierigen Umständen aus dem faschistischen Deutschland nach Amerika gebracht und somit vor ihrer Vernichtung gerettet worden, so Nebrat.
Das jüdische Heiligtum müsse eigentlich in einem Toraschrein in einer Synagoge aufgehoben werden. Ihre Schriftrolle friste jetzt ihr Dasein in einem umfunktionierten Schrank in den Geschäftsräumen der Gemeinde. Das sei „unwürdig“, erklärte Nebrat und verwies einmal mehr darauf, dass seine Gemeinde schon bei ihrer Gründung vor neun Jahren ein eigenes Gotteshaus gefordert habe. Der Schabbat beispielsweise werde in den Unterrichtsräumen der von den Orthodoxen betriebenen jüdischen Volkshochschule in der Posthofstraße begangen. Das erinnere ihn an die Sowjetunion, wo die Juden ihren Gottesdienst hätten heimlich abhalten müssen, sagte Nebrat. Seine Kritik richte sich vor allem an das brandenburgische Kulturministerium und seine Förderpolitik, die kein jüdisches Gemeindeleben im Land ermögliche. Nicola Klusemann
Nicola Klusemann
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