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Sagenumwobene Aussicht. Der Brauhausberg war der Legende zufolge der Lieblingsplatz einer wählerischen Fürstentochter. Um ihren künftigen Bräutigam aus den vielen Bewerbern auszusuchen, versteckte die junge Dame in einem Rätsel den Hinweis auf den Berg.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Heimatkunde mit Hexen

Die Potsdamer Autorin Christine Anlauff hat ein Buch mit Potsdam-Sagen geschrieben

Von Sarah Kugler

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Eine Hexenprobe auf dem heutigen Platz der Einheit oder eine kluge Fürstentochter auf dem Brauhausberg: Die Landeshauptstadt hat viele sagenhafte Geschichten zu erzählen. Dank der Potsdamer Autorin Christine Anlauff kann man diese nun auch nachlesen. In ihrem jüngst erschienenen Buch „Die schönsten Sagen & Legenden aus Potsdam“ präsentiert sie 15 märchenhafte Geschichten, die von geheimnisvollen Wesen oder unheimlichen Momenten erzählen. Am Donnerstag stellte Anlauff ihr Buch in der Buchhandlung Viktoriagarten vor.

Da wird beispielsweise von einer jungen Fürstentochter berichtet, die aus vielen Bewerbern einen Bräutigam aussuchen muss und ihnen deshalb ein Rätsel stellt: „Wir woll’n rundum von Bergeshöhn, Seh’n morgen früh die Sonn aufgehn. Wer meine Aussicht teilt, bei mir als Hausherr weilt“, heißt es in der Sage. Nur ihr Auserwählter weiß, dass sie damit den Brauhausberg meint, auf dem sie so gerne spazieren geht. Die Liebeserklärung „Mein Herz und dein Herz sind von nun an ein Herz“, mit der sie ihren Liebsten am Ende auf dem Berg begrüßt, konnte man noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf Pfefferkuchenherzen finden, die wiederum beim Schützenfest auf dem Brauhausberg verkauft wurden.

Eine andere Geschichte berichtet von einer Hexenprobe aus dem 15. Jahrhundert, die am Faulen See – also dort, wo der heutige Platz der Einheit liegt – stattgefunden hat. Eine alte Frau wurde der Hexerei beschuldigt und sollte durch die Wasserprobe überführt werden. Dazu sollte es aber nicht kommen, denn als der Ankläger die Wahrheit seiner Aussage beschwor, sackte die Erhebung, auf der er stand, ab, versank mit ihm im Faulen See und bewies somit die Unschuld der Angeklagten. Ein Wunder, von dem angeblich bis heute noch gesprochen wird.

Die Idee zu dem Sagenbuch entstand aus einem Hörspielprojekt, wie die Autorin erzählt. „Der John-Verlag hat vor ein paar Jahren verschiedene Städtesagen aufgenommen“, berichtete Christine Anlauff. „Da sie dachten, dass ich mich als Potsdamer Autorin gut auskenne, haben sie mich dann in Bezug auf Potsdam gefragt.“ In diesem Zusammenhang habe sie festgestellt, dass es zum damaligen Zeitpunkt noch keine aktuelle Publikation mit Potsdamer Sagen gegeben hatte, was sie sehr erstaunt habe.

Also stürzte sie sich in die Recherche und fand zuerst vor allem eins: Anekdoten über Friedrich II. „Wenn dann doch mal eine Potsdamer Sage anderen Themas dabei war, war sie meist in wenigen Zeilen abgehandelt“, sagte die Autorin, die vor allem durch ihre intelligenten Katzenkrimis rund um den Kater Serrano bekannt ist und auch schon für die linksalternative Fraktion Die Andere für ein Jahr im Stadtparlament saß.

Nachdem sie in vergilbten DDR-Heftchen den einen oder anderen längeren Text ausfindig gemacht hatte, stieß sie schließlich auf Karl von Reinhards „Sagen und Märchen aus Potsdams Vorzeit“, das im Jahr 1841 erschienen war. „Das war schon ein Glücksfund“, erzählte sie. „Da habe ich mich dann erst mal durchgearbeitet und schließlich elf Sagen für die Hörspielfassung herausgearbeitet.“ Als der Be.bra-Verlag dann mit der Idee für das Buch auf sie zugekommen sei, sind schließlich noch einmal vier Sagen dazugekommen.

Bei der Auswahl sei sie sehr mechanisch vorgegangen, wie sie erzählte: Zuerst hat sie alle Sagen aussortiert, die Potsdam nur entfernt behandeln. Alle Geschichten, die nur märchenhafte Züge ohne konkrete Ortsangaben hatten, wurden genauso ausgeschlossen. Viele Sagen hätten außerdem das gleiche Thema behandelt und hätten somit zusammengefasst werden können. „Ich habe schließlich die sinnvollsten und spannendsten herausgesucht“, sagte sie. „Vor allem solche mit einem Showdown und prägnanten Orten, die heute noch berüchtigt sind.“

Als die engere Auswahl stand, ging die Autorin an die Bearbeitung der Texte. Vor allem den altmodischen Duktus der Sprache des 19. Jahrhundert hat sie geändert, wie sie erzählte. Da Reinhard es mit der historischen Genauigkeit nicht so genau genommen hatte, musste sie auch dort einige Korrekturen vornehmen. Außerdem hat sie bei der Arbeit Szenen ausfabuliert und Dialoge eingefügt. „Mir war es wichtig, den Texten einen modernen Touch zu geben und trotzdem die tragende Sagensprache beizubehalten“, berichtete Christine Anlauff. „Ich hoffe, das ist mir gelungen.“

Bei dieser Mischung bleiben den Texten natürlich ein paar altmodische Wörter erhalten, die sie bei der Lesung am Donnerstagabend nutzte, um das Wissen ihres Publikums zu testen. Auf eine große Tafel schrieb sie zu Beginn die Wörter „Krul“ sowie „Werder“ und fragte nach deren Bedeutung. „Schließlich ist das hier kein Unterhaltungsabend“, sagte sie mit spitzbübischem Lächeln. „Das ist heute eher ein Heimatkundeabend.“

Das Publikum war ihren Ansprüchen aber mehr als gewachsen: Die Antworten „König“ sowie „Insel“ erschallten gleich mehrstimmig. Und auch sonst zeigten sich die Zuhörer begeistert von den Potsdam-Sagen, was die Autorin sichtlich erleichterte. „Ich selber war eigentlich gar nicht sooo ein begeisterter Sagen-Fan“, gestand sie. „Als Kind vielleicht noch, aber dann habe ich die immer so als halbesoterisch abgetan.“ Inzwischen hat sie aber Feuer gefangen, wie sie sagte. „Ich habe total Lust, noch mehr Sagen zu recherchieren“, sagte die Schriftstellerin. „Das ist ja auch so ein bisschen wie ein Puzzle – oder ein Detektivspiel.“

„Die schönsten Sagen & Legenden aus Potsdam“, gesammelt und neu erzählt von Christine Anlauff, ist im Be.bra-Verlag erschienen und kostet 14,95 Euro.

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