Landeshauptstadt: Heimlicher Etiketten-Tausch
Detektiv auf Veranlassung des Angeklagten vereidigt
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Detektiv auf Veranlassung des Angeklagten vereidigt Von Gabriele Hohenstein Amtsrichterin Waltraud Heep muss den Gesetzestext eigens aus der Bibliothek des Amtsgerichts holen. Zu selten kommt es vor, dass ein Zeuge einen Eid schwören muss. Doch Martin K. (21, Name geändert) besteht darauf. Glaubt man den Angaben des wegen Betruges und Urkundenfälschung Angeklagten, dann schwindelte der Detektiv eben das Blaue vom Himmel herunter, und nur er habe die Wahrheit gesagt. „Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Aussage zu revidieren“, erklärt die Vorsitzende dem Wachschutzmann vor dem Prozedere. „Falls Sie gelogen haben, droht Ihnen nach der Vereidigung eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.“ Doch Detektiv Robert R. (46) bleibt dabei, Martin K. am 21. Februar dieses Jahres im Media-Markt des Sterncenters bei unlauterem Treiben beobachtet zu haben. „Ich sah auf unserem Monitor genau, wie der junge Mann in der Software-Abteilung das Scanner-Etikett eines Videospiels abpulte und es auf die Verpackung eines anderen Spiels klebte.“ Das abgeklaubte Preisschild habe einen Warenwert von 6,99 Euro ausgewiesen. Die habe der Kunde dann auch an der Kasse bezahlt. Tatsächlich habe das von ihm erworbene Computerspiel aber 29,99 Euro gekostet. „Alles Quatsch“, entrüstet sich der Potsdamer auf der Anklagebank. „Ich hatte das Spiel beim Media-Markt vorbestellt und es an dem bewussten Tag abgeholt.“ Wenn aus irgend einem kühlen Grunde ein falsches Preisschild auf der Ware prangte, habe er das schließlich nicht zu verantworten. „Ich wollte in aller Ruhe bezahlen. Plötzlich kommt jemand vom Kassenpersonal und erklärt mir, so ginge das nicht.“ Er habe überhaupt nicht gewusst, wie ihm geschah, als man ihn des Etikettentausches beschuldigte, empört sich Martin K. und bezichtigt den Security-Mann, auf seine Kosten die Fangprämie eingeheimst zu haben. Das kann sich Robert R. natürlich nicht gefallen lassen. „Die so genannte Fangprämie gibt es schon seit Jahren nicht mehr“, stellt er klar. Anfang der 90-er Jahre seien die Detektive noch in den Genuss der Gelder gekommen, die die ertappten Ladendiebe als Sanktion für ihr Tun begleichen mussten. „Inzwischen haben wir keinerlei Vorteil mehr davon, wenn wir jemanden beim Stehlen erwischen. Die Fangprämie muss an der Kasse eingezahlt werden.“ Als die Vorsitzende das Urteil – 30 Tagessätze zu je 30 Euro – verkündet, wird Martin K. wild. „Das kann doch nicht wahr sein“, wütet er. Das Gericht könne Gift darauf nehmen, dass er Berufung einlegen werde.
Gabriele Hohenstein
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