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Judith Schicks erforscht am GeoForschungsZentrum die Energiegewinnung aus Gashydraten. In der Langen Nacht der Wissenschaften wird sie die eisähnliche Substanz zum Brennen bringen
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2008 ist das Internationale Jahr der Erde, das den Nutzen der Geowissenschaften für eine nachhaltige Entwicklung deutlich machen soll. Die PNN nehmen dies zum Anlass, Projekte von Potsdamer Geoforschern vorzustellen.
Sie liegen wie große Hagelkörner in der Hand: weiß und eiskalt. Hält man sie ans Ohr, hört man es knistern wie bei feuchtem Brausepulver. Den „Eiskugeln“, die in Wirklichkeit Methanhydrate sind, entweicht das Gas. Jetzt sind sie leicht entflammbar.
Dr. Judith Schicks und ihre Kollegen vom Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) werden am kommenden Samstag in der Langen Nacht der Wissenschaften auf dem Telegraphenberg mehrmals ihr Feuerzeug an synthetische, also im Labor hergestellte Gashydrate halten und die eisähnlichen Substanzen zum Brennen bringen. An einem Modell aus dem Molekülbaukasten werden sie erklären, wie Gashydrate entstehen, wie also Wassermoleküle dreidimensionale Netzwerkstrukturen bilden und darin die Gasmoleküle gefangen halten. Erhöht sich die Temperatur und das gefrorene Wasser schmilzt, kann das Gas ausströmen und sich entzünden.
Als Chemikerin leitet Judith Schicks am GFZ eine kleine Wissenschaftlergruppe, die thermodynamische Eigenschaften solcher Gashydrate untersucht. Mit einem klaren Ziel. Weltweit steigt das Interesse an den noch ungenutzten Energieressourcen der gebundenen Gemische aus Methan und anderen Gasen, die in Sedimenten am Meeresboden und in Permafrostböden lagern. Noch allerdings ist ungeklärt, wie man sie gefahrlos zutage fördern kann.
Dass Gashydrate in der Natur vorkommen, ist noch gar nicht so lange bekannt. Erst in den 1960er Jahren entdeckte man in den Permafrostböden Sibiriens erste Lagerstätten. Bis dahin wurden die vor zweihundert Jahren zufällig im Labor entstandenen Festkörper für ein chemisches Kuriosum gehalten. Mit der industriellen Förderung von Erdöl und Erdgas wurde dieses Kuriosum jedoch zum Problem. Die in den Förderleitungen herrschenden Druck- und Temperaturverhältnisse begünstigen die Entstehung von Gashydraten, die dann als dicke Pfropfen die Pipelines verstopfen. „Sie zu lösen“, sagt Judith Schicks, „ist nicht ganz ungefährlich. Unter Umständen können sie wie ein Projektil mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde durch die Leitung schießen.“ Die ersten Forschungen an Gashydraten zielten deshalb darauf ab, ihre Entstehung zu verhindern.
Seit man jedoch weiß, dass sie auch in der Natur vorkommen, richtet sich das wissenschaftliche Interesse verstärkt auf Methoden, mit denen man sie nachweisen und fördern kann. Dort, wo sie in kleinen Hügeln auf dem Meeresboden lagern, wie im Pazifik vor der Küste Kanadas, könnte man sie mit Greifern nach oben transportieren, sagt Judith Schicks. „Es ist auch schon vorgekommen, dass kleinere Teile von einem solchen Hydrathügel abgebrochen sind und wie Sektkorken an die Wasseroberfläche ploppten“, beschreibt sie ein seltenes Phänomen.
Meist aber sind die Gashydrate in Sedimenten und Permafrostböden verborgen. Um an sie heranzukommen, hat die Potsdamer Forschergruppe ein spezielles Verfahren entwickelt: In ein klassisches Bohrloch soll ein Reaktor eingebracht werden, der mit einer chemische Verbrennungsreaktion die Temperatur im Boden erhöht und so die Gashydrate zum Schmelzen bringt. Das entweichende Methan kann dann gefördert werden. „Unsere Idee ist, für die Verbrennungsreaktion das im Permafrostboden ohnehin gespeicherte Methan anteilig zu nutzen und kontrolliert zu fördern“, beschreibt Judith Schicks die Weiterentwicklung ihres Verfahrens, das das GFZ bereits zum Patent angemeldet hat und nun auf seine Praxistauglichkeit im Labormaßstab überprüfen will.
Sicherlich, das weiß die Chemikerin, handelt es sich bei den Gashydraten um eine nicht erneuerbare Energiequelle, die einmal mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre entlässt. Nicht jedoch, wenn der Prozess umgedreht wird. Judith Schicks untersucht deshalb mit ihrer Forschungsgruppe auch die Möglichkeit, Kohlendioxid in Sedimente einzupressen und die darin enthaltenen Gashydrate als natürliche CO2-Speicher zu nutzen.
Antje Horn-Conrad
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