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Sport: Held einer zerrissenen Gesellschaft
Der Boxer Joe Louis gilt als Amerikas erster Ikone schwarzer Hautfarbe. Vor 100 Jahren wurde er geboren
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Welche Ironie der schändlichen Rassengeschichte im Schwergewichtsboxen: Als 1908 mit Jack Johnson der erste schwarze Champion wurde, war das weiße Amerika entsetzt. In den USA kam es zu schweren Krawallen. 23 schwarze und zwei weiße Bürger kamen ums Leben. Als 30 Jahre später Joe Louis als zweiter schwarzer Boxweltmeister aller Klassen den Herausforderer Max Schmeling aus dem Reich des Rassenwahns in der ersten Runde zu Boden schlug, wurde „The Brown Bomber“ als Held des ganzen Amerika gefeiert. Joe Louis war der erste Volksheld schwarzer Hautfarbe überhaupt. Heute vor 100 Jahren wurde er geboren, seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Nationalfriedhof in Arlington. Dort, wo auch John F. Kennedy begraben liegt.
„Mister President, ich bedanke mich, dass Sie Joe Louis in Arlington einen ehrenvollen Platz gegeben haben“, sagte Max Schmeling 1982 zu Ronald Reagan bei dessen Deutschland-Besuch. Die Inschrift des massiven Grabsteins: „Joe Louis (Barrow) Technical Sergeant U.S. Army May 13. 1914 – April 12. 1981.“ Auf den 13. Mai fällt also der 100. Geburtstag der ersten afroamerikanischen Ikone der Vereinigten Staaten.
Mit allen militärischen Ehren ließ der Präsident den Boxchampion auf dem Heldenfriedhof bestatten. Louis hatte von 1941 bis Kriegsende in der Army als Symbolfigur gedient, mehr als zwei Millionen Soldaten zwischen Truppeneinsätzen 96 Schaukämpfe geboten, mehr als 100 000 Dollar den Hilfsfonds der Army und der Navy gespendet und war im Rang eines Sergeants entlassen worden.
Dem „von der Politik am meisten vereinnahmten Boxkampf der Geschichte“, wie die englische Zeitung „The Guardian“ im Nachruf zum Tod Max Schmelings 2005 schrieb, verdankt Joe Louis seinen Heldenstatus in einer von Rassismus zerrissenen Gesellschaft. Es ging um weitaus mehr als um die Revanche des Amerikaners, der zwei Jahre zuvor von dem Deutschen sensationell in der 12. Runde k.o.-geschlagen worden war.
Das zweite Duell am 22. Juni 1938 vor 70 000 Zuschauern im New Yorker Yankee Stadium und geschätzten hundert Millionen Zuhörern am Radio beiderseits des Atlantiks wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zum Kampf zweier Mächte hochstilisiert: freies Amerika gegen Nazi-Deutschland. In der einen Ecke stand die Demokratie. Trotz der Rassendiskriminierung, die Schwarze noch vom Nationalsport Baseball ausschloss. In der anderen Ecke standen Hitler-Diktatur und Judenverfolgung, obwohl Schmeling kein Nazi war, aber von der NS-Propaganda vereinnahmt wurde. Wie auch Joe Louis von der amerikanischen. Präsident Franklin D. Roosevelt empfing Louis im Weißen Haus, befühlte dessen Bizeps und schwadronierte: „Joe, wir brauchen Muskeln wie deine, um die Deutschen zu besiegen.“ Im Yankee Stadium schlug Louis Schmeling nach zwei Minuten k.o.
Louis wurde am 22. Juni 1937 durch einen K.-o.-Sieg über James J. Braddock Weltmeister. Sein Weltrekord von 25 Titelverteidigungen hat noch heute Bestand. Vor seinem Rücktritt als Weltmeister 1949 hatte ihn nur einer in 69 Kämpfen besiegt: Max Schmeling. Es ging um keinen Titel. Beide wurden nach dem Krieg Freunde.
Louis' Comeback scheiterte. 1950 verlor er gegen Ezzard Charles nach Punkten, 1951 durch K.o. gegen Rocky Marciano. Obwohl Louis nach Angaben der Box-Enzyklopädie „The Ring“ 4,4 Millionen Dollar eingenommen hatte, starb er verarmt mit 66 Jahren an einem Herzinfarkt.
Hartmut Scherzer
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