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Landeshauptstadt: Hellauf leuchtet der Bergkristall

Mineralische Schätze im Grottensaal werden mit modernsten Methoden untersucht

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Mineralische Schätze im Grottensaal werden mit modernsten Methoden untersucht Von Erhart Hohenstein Einige der für die Dekoration des Grottensaals des Neuen Palais verwendeten Mineralien werden jetzt mit Hilfe eines hochmodernen Spektroskops untersucht. Laser „durchleuchtet“ die Gesteine und macht die Spektrallinien sichtbar, die über die chemische Zusammensetzung Auskunft geben. Noch längst sind nämlich nicht alle der 20 000 Steine, Fossilien und Naturalien bestimmt, mit denen die Wände und Deckengewölbe des Saals 1765 – 1769 im unter Friedrich II. errichteten Palais geschmückt wurden. Die prächtigsten und buntesten Schmuckbänder stammen allerdings aus der Kaiserzeit, als Wilhelm II. die Dekoration erneuern und bereichern ließ. Bis zur „Spitze des Kilimandscharo“ und zum Rauchtopas aus Südamerika reichen die Mineralien, die der Kaiser von seinen Reisen mitbrachte, geschenkt bekam oder erwerben ließ. Auch andere Hohenzollernprinzen und Kaiserin Auguste Victoria, die den Halbedelstein Aquamarin besonders liebte, trugen dazu bei. Gerade nähert Dr. Ingo Reese aus Bensheim (bei Frankfurt/Main) mit dem fahrbaren Spektrometer den Messkopf, der erst vor zwei Jahren neu entwickelt wurde, einem größeren Bergkristallstück, das Einschlüsse anderer Mineralien zeigt. Der Messkopf hält respektvoll 1,5 mm Abstand vom Kristall, und auch wenn das jetzt hell aufleuchtet, fügt diese Methode dem wertvollen Gestein keinerlei Schäden zu. Sie geht auf den Inder Raman zurück, der sie in den zwanziger Jahren entwickelte. Für eine Laboruntersuchung, wie sie bisher üblich war, müsste dagegen eine Probe genommen und als 0,3 Millimeter starker „Dickschliff“ unter dem Mikroskop untersucht werden. Bisher wurde das von dem in Lille beheimateten französischen Unternehmen Jobin Yvon Horiba entwickelte Gerät vor allem in der chemischen Industrie eingesetzt. Dort überwacht es unter anderem die punktgenaue Zusammensetzung der Komponenten von Autoreifen, Latexfarben und sogar von Arzneimitteln. Im Neuen Palais wird nun getestet, wie es auch für die Untersuchung von Mineralien genutzt werden kann. Ebenso wäre dies für Gemälde denkbar. Der Test kann also auch für das seit 180 Jahren bestehende Traditionsunternehmen von Vorteil sein, um neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Mit ins Boot geholt wurde Ingo Reese, der im deutschen Vertriebsbüro von Jobin Yvon arbeitet, durch Dr. Martin Ziemann vom Institut für Geowissenschaften der Potsdamer Universität, das seit Jahren mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zusammenwirkt. Ihm wird es obliegen, die Spektrogramme auszuwerten. Ist der Name eines Minerals ermittelt, kann auch seine Herkunft zurückverfolgt werden, die aus den schriftlichen Unterlagen oft nicht hervorgeht. Die Spuren führen beispielsweise für verkieseltes Holz über Chemnitz oder für Bergkristalle über Bad Gastein, wo diese Mineralien einst erworben wurden. Rätselhaft bleibt allerdings, woher und vor allem warum ein Stück Gelbes Blutlaugensalz in eines der Schmuckbänder eingefügt wurde, ein Vorprodukt für die Farbe Preußisch Blau, wie es die Uniformröcke von Friedrichs Soldaten zeigten. „Es ist das einzige nicht natürlich entstandene Mineral, das wir bisher im Grottensaal gefunden haben“, erklärt Ziemann. Bei den Untersuchungen geht es jedoch nicht allein um die Bestimmung der Mineralien und ihrer Herkunft. Vielmehr ermöglicht die Methode auch, Ursprung und Wachsen von Schäden zu ermitteln, wie sie im Grottensaal schon zur Regierungszeit Friedrichs II. und seitdem immer wieder auftraten. In die Nordostecke eindringende Feuchtigkeit schädigte einen Wandstreifen so stark, dass er im Juli dieses Jahres komplett abgenommen werden musste (PNN berichteten). Aber auch die Atemluft der Touristengruppen bekommt einigen Mineralien nicht. Dass die gestern begonnenen Untersuchungen wertvolle Hinweise für die Restaurierung geben können, ist der für den Grottensaal zuständigen Kunsthistorikerin der Stiftung, Dr. Käthe Klappenbach, besonders wichtig. Freilich kann durch den dreitägigen Einsatz des Spektroskops nur ein Bruchteil der Mineralien erfasst werden. Er ist aber ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Erhaltung und zu einer späteren umfassenden Restaurierung des einmaligen Kunstwerkes.

Erhart Hohenstein

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