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Geschichte im Kellergewölbe. Das Waisenhaus-Museum öffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr. Eintritt: drei Euro.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Helle und dunkle Seiten

Die Stiftung Großes Militärwaisenhaus eröffnete ein Museum über seine wechselvolle Geschichte

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Innenstadt - Die Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“ stellt sich seiner 289-jährigen Geschichte. Diese bedeute gleichzeitig „Last und Chance“, wie der Stiftungsratsvorsitzende Andreas Hillinger am Mittwoch bei der Eröffnung des neuen Waisenhaus-Museums in einem Kellergewölbe an der Breiten Straße 9a erklärte. Es seien ehemalige Schüler der Einrichtung gewesen, die auf die Geschichte des Waisenhauses aufmerksam machten. Nach Gesprächen bei der 275. Jahrfeier im Jahr 1999 „haben wir gemerkt, aha, da hängt etwas dran“, berichtet Hillinger. Noch in den 1990er Jahren sei es eher um Themen wie die Rückübertragung von Grundstücken oder die Umwandlung von DDR-Jugendwerkhöfen in moderne Jugendhilfeeinrichtungen gegangen.

Doch die Geschichte taucht immer auf; jüngst spektakulär durch das Wiederentdecken des früheren Waisenhausfriedhofs an der Nuthestraße (PNN berichteten). „Da wird deutlich, welche Verantwortung wir gegenüber der Geschichte haben“, sagte der Stiftungsratsvorsitzende. Mit Renè Schreiter habe die Stiftung zur Aufarbeitung seiner Geschichte eigends einen Historiker angestellt – „obwohl wir auch ein Computer-Netzwerk aufbauen mussten“, die Stiftung also viele Aufgaben zu lösen hat. Schnell war klar, so Hilliger, „es ist nicht alles Gold, was glänzt in unserer Geschichte“.

Hilliger bezieht sich dabei auf „teilweise schreckliche Verhältnisse“. Häufig seien die vom Waisenhaus betreuten Kinder „nicht ordentlich ernährt worden“. Auch Brandenburgs Kulturstaatssekretär Martin Gorholt (SPD) sprach in seiner Eröffnungsrede „schwarze und helle Seiten“ der Waisenhausgeschichte an, die in dem nur 74 Quadratmeter großen Museumsgewölbe auch dargestellt werden. So habe es eine „starke Priorisierung des Militärischen“ gegeben, „die Staatsräson spielte eine große Rolle“, der preußische König habe sich „militärischen Nachwuchs sichern wollen“. Jungen und Mädchen des Waisenhauses seien „billige Arbeitskräfte für die Manufakturen“ gewesen, erklärte Gorholt und bemerkte: „Die Kinder brachten auch eine Leidensgeschichte hinter sich.“ Zuletzt sprach der Staatssekretär die Tatsache an, dass sich die Stiftung heute auch durch Vermietung und Verpachtung finanziere. Das Kulturministerium sei ein Hauptmieter: „Wir sind zufrieden mit unserem Vermieter“, so Gorholt.

Wie Stiftungshistoriker Schreiter bei einem ersten Rundgang erläuterte, wird der Besucher mittels eines Licht- und Farbkonzeptes durch die Ausstellung geführt. Als Medium für Kinder, denen ein Zugang zur Geschichte geboten wird, wurden die Figuren Henriette und Johann erfunden, die immer wieder auf Augenhöhe von Kindern im unteren Bereich der Schautafeln auftauchen.

Zu den von Gorholt genannten schwarzen Seiten der Waisenhausgeschichte gehört auch die Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945, der sich mehrere Ausstellungs-Tafeln widmen. Ein ehemaliger Schüler, der seinen Namen nicht nennen wollte, empfand am Mittwoch aber, dass eine „Feinheit nicht richtig herausgearbeitet worden ist“. 1934 wurde das Waisenhaus in eine Nationalpolitische Lehranstalt (Napola) umgewandelt und dem Reichserziehungsminister unterstellt. Somit hatte Potsdam als einzige deutsche Stadt zwei Napolas, wie es in der Ausstellung heißt. Ferner ist zu lesen, „auf obersten Befehl“ sei die Einrichtung 1938 wieder dem Reichskriegsminister unterstellt worden. Auf obersten Befehl? Dem Ex-Schüler zufolge hat Adolf Hitler persönlich den Befehl erteilt. Haushistoriker Schreiter bestätigte das den PNN: „Ich hätte auch Hitler schreiben können.“ Dem Ex-Schüler zufolge hat Hitler 1938 den Begriff „Waisenhaus der Wehrmacht“ abgelehnt, um die Kriegsvorbereitungen zu verschleiern. Ein Hinweis darauf gibt die Ausstellung nicht.

Ferner bemerkenswert: Ein Foto zeigt mehrere Generäle; in der Bildunterschrift wird sogar darauf verwiesen, wer auf dem Bild nicht erkennbar ist. Nicht benannt ist jedoch, wessen Gesicht mehr als deutlich zu sehen ist – das von Heinrich Himmler, als Chef der SS und der Konzentrationslager der nach Hitler wohl schlimmste NS–Verbrecher. „Ja, das könnte Himmler sein“, bestätigte Schreiter.

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