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Wohnungsnot in Potsdam: „Heute lässt sich sogar ein Hühnerstall vermieten“
Eine Expertenrunde legt der Stadt eine Agenda mit 26 Empfehlungen für eine neue Wohnungspolitik vor. Das Ziel: „Bezahlbarer Wohnraum für alle“.
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Potsdam - Jammern die Potsdamer bei ihren Protesten gegen steigende Mieten auf hohem Niveau? Denn im Vergleich mit anderen Städten schneidet die Landeshauptstadt nicht unbedingt negativ ab. Zwar ist Potsdam laut einer Studie des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 5,80 Euro je Quadratmeter die teuerste ostdeutsche Landesmetropole. Aber im Ost-West-Vergleich landet Potsdam im Mittelfeld.
Die Jammer-Frage bekommt von einer Expertengruppe, die sich zwölf Monate intensiv mit der „Kommunalen Wohnungspolitik und der sozialen Dimension steigender Wohnkosten“ in Potsdam beschäftigt hat, ein klares Nein. Denn die Wahrheit sei differenzierter: Während Potsdamer für kommunale und genossenschaftliche Wohnungen eine Durchschnittsmiete von 5,16 Euro zahlen, verlangen Privatvermieter durchschnittlich 6,32 Euro. Zudem stiegen in den vergangenen sechs Jahren die Bestandsmieten um 26 Prozent. Dabei haben sich die Klischees vom „teuren Altbau und billiger Platte“ überholt. Die Dynamik der Mietpreisexplosionen betrifft alle Haushalte. „Heute lässt sich sogar ein Hühnerstall vermieten“, illustriert Carsten Hagenau vom Arbeitskreis „Stadtspuren“ die Situation.
Diese für viele Potsdamer spürbaren Entwicklungen sowie Zuzug, Mangel an preiswertem Wohnraum, steigende Energiepreise, hohe, energetische Sanierungskosten und demografischer Wandel machen für die Stadt das Feld der Wohnungspolitik zu einer komplexen Aufgabe. Die Ende 2011 vom Stadtparlament plakativ formulierte Aufgabe, „Bezahlbaren Wohnraum für alle!“ zu schaffen, verlangt von der Stadt eine neue Kreativität und eine neue Definition ihrer Wohnungspolitik. So sehen es zumindest die Energie-, Klima-, Demografie- und Mietexperten, die für Potsdam eine Agenda mit 26 Ratschlägen erarbeitet haben.
Eine zentrale Empfehlung: Die ProPotsdam GmbH als städtisches Unternehmen soll ihre Tätigkeit konsequent auf die Belange der sozialen Wohnungswirtschaft fokussieren. Zudem solle die Stadtpolitik einen stärkeren Dialog mit Genossenschaften führen und gemeinsame Lösungen für den sozialen Wohnungsbau entwickeln. Mit einem „Bündnis für sicheres Wohnen sollen sich alle wichtigen Akteure des Potsdamer Wohnungsmarktes verbindlich und öffentlich zu Leistungen verpflichten. Auch soll die Stadt in einem wohnungspolitischem Konzept, das Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern ankündigte, die Frage nach dem Wohnraumbedarf einzelner Bevölkerungsgruppen beantworten. So soll u.a. geprüft werden, ob durch eine Stiftung „Junges Wohnen“ jungen Potsdamern geholfen werden könne. Nach einer Empfehlung der Expertenrunde solle die Stadtverwaltung außerdem den Umbau des Stadtteils Drewitz nutzen, um neue Wohnformen zu etablieren und dafür zu werben.
Der Expertenrunde zufolge lasse sich der Druck auf den Potsdamer Wohnungsmarkt nur durch ein „Forcieren der Bautätigkeit“ bewältigen. Dabei müsse sich Wohnungsbau besonders in Potsdam an prägenden Qualitäten der Stadt orientieren. Dazu gehören Freiräume, Famillienfreundlichkeit, eine soziale Mischung und das Weltkulturerbe. Ein Wohnungsbau, der auf Kosten dieser Qualitäten forciert wird, würde einer nachhaltigen Stadtentwicklung widersprechen.
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